Manche Dinge ändern sich nie. An historischen Tagen werden sie bloss theatralischer:
Obwohl Theresa May ihr Amt vorzeitig und unfreiwillig verlässt – sie wurde von ihrer eigenen Partei dazu gezwungen – schallte ihr Jubel entgegen, als sie sich heute im Unterhaus erhob. In die Anerkennung mischte sich nicht selten Heuchelei.
Sie war bereit auch Leute, die ihr gewiss gelegentlich auf die Nerven gegangen sind, mit ausgesuchter Höflichkeit zu behandeln.
Ihr Parteikollege Charles Walker, der loyal geblieben war, gehörte wohl nicht in diese Kategorie: Er sei der Meinung, die Premierministerin sei eine durch und durch famose Person. «Ein gutes Ei», wie die Redensart es will.
Einer der Abgeordneten, die direkt für ihren Sturz verantwortlich waren, blieb ebenfalls bei der Wahrheit. Jacob Rees-Mogg, Sprecher der konservativen Brexiteers: «Sie war bereit auch Leute, die ihr gewiss gelegentlich auf die Nerven gegangen sind, mit ausgesuchter Höflichkeit zu behandeln.»
Höflichkeit, Pflichtgefühl und Ausdauer. Das wurde immer wieder genannt. Selbst von gegenüber. Von der dienstältesten Labourabgerodneten, Harriet Harman. Selbst ihre ärgsten Kritiker lobten ihre Integrität, ihr Bekenntnis zum Dienst an der Öffentlichkeit, ihre Hingabe an das Land.
Vergeben Sie Ihrem Nachfolger Boris Johnson, dass er Ihre Amtszeit um seines eigenen Ehrgeizes willen sabotiert hat?
Doch es war nicht alles Minne. Der Labourabgeordnete Kevin Brennan erinnerte an das Recht scheidender amerikanischer Präsidenten zur Begnadigung von Missetätern: «Vergeben Sie Ihrem Nachfolger Boris Johnson, dass er Ihre Amtszeit um seines eigenen Ehrgeizes willen sabotiert hat?»
Nun war es an Frau May zu heucheln: «Ich übergebe gerne an den neuen Chef der Konservativen und Premierminister, mit dem ich im Kabinett zusammengearbeitet habe.»
Langes und herzhaftes Gelächter folgten auf diese Schönfärberei. Hier lobte ein weiblicher Cäsar ihren Brutus. Bei allen unbestrittenen Tugenden von Theresa May: sie ist gescheitert. Sie hatte bloss eine einzige Aufgabe. Brexit. Es blieb kein Raum für anderes.
Und in dieser Frage sah sie sich als ursprüngliche Gegnerin von Brexit veranlasst, einen radikaleren und umfassenderen Bruch mit der EU zu verfolgen als das Unterhaus zu akzeptieren bereit war.
Ich hoffe, dass jedes Mädchen, das eine Premierministerin erlebt hat, nun weiss, dass es keine Grenzen des Erreichbaren gibt.
Ihre Minimalkonditionen und ihre nordirischen Bettgefährten erzwangen die juristische Akrobatik zur irischen Grenze, die schliesslich zu ihrem Sturz führte. Sie war wohl zu scheu, zu hölzern, zu phantasielos, um diese Herkulesaufgabe zu bewältigen.
Auf den Stufen von Downing Street endete sie ihre Amtszeit heute mit einem erbaulichen Gedanken: «Ich hoffe, dass jedes Mädchen, das eine Premierministerin erlebt hat, nun weiss, dass es keine Grenzen des Erreichbaren gibt.»