Theresa May hat schlicht ihren ganzen Kredit aufgebraucht. Niemand glaubte noch, dass sie die Brexit-Blockade lösen könnte. Parallel musste ihre Partei zusehen, wie in diesen Wochen die Wähler zu Nigel Farage übergelaufen sind.
Das Fass zum Überlaufen gebracht, hat ihre Ankündigung am Dienstag: Sie erklärte, das Parlament könne darüber abstimmen, ob es eine zweite Brexit-Volksabstimmung durchführen wolle. Darüber hat das Parlament zwar schon zuvor abgestimmt, aber dieses Mal kam der Vorschlag von Theresa May. Das war für viele in ihrer Partei zu viel.
An der EU-Frage aufgerieben
May ist am Brexit gescheitert. Doch ihr dafür die ganze Schuld zuzuschieben, greift zu kurz. Es hätte wohl einen politischen Houdini benötigt, um die Mammutaufgabe Brexit mit ihren komplexen Problemen auf Anhieb zu lösen.
Die Tory-Partei hat sich schon immer an der EU aufgerieben, auch ihre Vorgänger sind darüber gestolpert. Also May hatte sicherlich schwierige Karten, als sie startete. Zudem hat May ihre schlechten Karten auch wirklich schlecht gespielt. Viel zu lange hat sie einen perfekten Brexit versprochen, den es nicht gibt.
Zu spät ist sie auf andere Parteien zugegangen, um nach einem Kompromiss zu suchen. Sie war eine sehr pflichtbewusste Politikerin, aber keine charismatische oder überzeugende.
Wer kann den gordischen Knoten lösen?
Wie wird ihr Nachfolger Brexit anpacken? Bereits heisst es, ein ungeregelter, ein No-Deal-Brexit, sei jetzt wahrscheinlicher. Doch das Parlament hat bereits bewiesen, dass es sich mit aller Kraft dagegen stemmen wird.
Die Blockade würde weiter andauern. Also die eigentliche Frage ist, ob jemand die politische Krise lösen kann – denn solange sich nichts an den verhärteten Fronten oder Mehrheitsverhältnissen ändert, lässt sich der Brexit nicht vollziehen.
Der optimistische Zukunftsblick ist: Eine neue Premierministerin, ein neuer Premierminister ist wie ein neuer Trainer im Fussball. Die Spieler und Gegner bleiben dieselben. Aber der neue Trainer bringt frischen Wind und kann so den Knoten entwirren.
Die pessimistische Sicht ist: Auch der oder die Neue kann die Probleme nicht lösen. Die Briten würden Zeit verlieren. Als Konsequenz davon müsste vielleicht einmal mehr das Austrittsdatum, das jetzt auf Ende Oktober angesetzt ist, verschoben werden.
Boris Johnson kann zeigen, was er kann
In der Poleposition für die Nachfolge ist Boris Johnson, ehemaliger Aussenminister und eine umstrittene Figur. Für ihn spricht, dass er all jene Wähler erreicht, die jetzt zu Nigel Farage überlaufen. Gegen ihn spricht, dass der gemässigte Partei-Flügel ihn ablehnt.
Darüber hinaus hat Johnson als Aussenminister nicht überzeugt. Setzen ihn seine Parteikollegen dennoch auf ein Zweierticket, das der Parteibasis zur Wahl vorschlagen wird, dann sind seine Chancen intakt.