Malik Shabazz ist Präsident der Organisation «Black Lawyers for Justice». Der 48-jährige Afroamerikaner steht mit Anzug und Krawatte vor dem schmucken Stadthaus in Baltimore. Er sagt, es stehe viel Arbeit an, um das Verhältnis unter den verschiedenen Rassen auf eine bessere Basis zu stellen. Im Vordergrund stünde dabei die wirtschaftliche Ungleichheit.
Gerade in Baltimore, aber nicht nur hier, seien die Unterschiede krass. Das habe damit zu tun, dass in gewisse Quartiere der Stadt schlicht nichts investiert werde, sagt Shabazz. Das sind deutliche Worte. Doch schon ein flüchtiger Augenschein in verschiedenen Gegenden von Baltimore macht klar: Der Anwalt hat nicht übertrieben.
Da die zerfallenen Reihenhäuser aus Backstein; Afroamerikaner, die tagsüber ohne Job auf der Treppe davor sitzen. Armut, sichtbar überall. Dort der coole Hafen von Baltimore mit den vielen Touristen aus dem ganzen Land und den neuen Lofts am Wasser. Es sei falsch, dass sich die Stadt mit Steueranreizen nur fürs Zentrum einsetze. Denn wenn man die Quartiere gleich daneben zerfallen lasse, habe man ein Problem, sagt Shabazz.
Stadtregierung spart am falschen Ort
Auch die schwarze Bürgermeisterin ist im System und in den Sachzwängen gefangen. Dennoch kritisiert Shabazz: «Sie setzt die Prioritäten falsch.» Im Stadtbudget ist ein Drittel des Geldes für die Polizei vorgesehen. «Und für Bildung?», fragt er. «Viel weniger. Warum schliesst man Schulen und Turnhallen? Warum bildet man die jungen Leute nicht aus, damit sie eine Chance haben und nicht im Gefängnis landen?»
Keine Zukunft, Frustration, und dazu komme noch die Polizeigewalt. Das Korps in Baltimore ist für seine Brutalität bekannt. Der Tod des 25-jährigen Freddie Gray, welcher die Unruhen ausgelöst hatte, ist nur der letzte einer langen Reihe solcher Fälle – und dazu ein besonders tragischer. Am Freitag nun will die Polizei über die Todesumstände informieren. Sie liess sich lange Zeit.
Politische Vorstösse im Keim erstickt
Das sei unhaltbar, findet Aisha Braveboy. Die 40-Jährige war bis vor kurzem Abgeordnete im Parlament von Maryland und leitete dort die Gruppe der afroamerikanischen Politiker. Gleich mehrere Gesetze habe man während ihrer Zeit eingebracht, mit denen die Polizeikorps in dem Bundesstaat, in dem auch Baltimore liegt, hätten reformiert werden sollen. Positive Gesetze, die mehr Transparenz gebracht und das Vertrauen der Bevölkerung gestärkt hätten, sagt sie. Doch keine der Vorlagen kam weit. Weil niemand ein Interesse hatte, das System zu ändern.
Derzeit stehen die Chancen dafür wieder etwas besser. Auch in Washington. Präsident Barack Obama bezeichnete die Plünderer und Gewalttätigen von Baltimore als Kriminelle, forderte aber zugleich mehr Chancengleichheit unter den Rassen und eine bessere, fairere Polizeiarbeit. «Sonst lösen wir das Problem nie», meinte er. Weitere Gewaltausbrüche wie jene in Baltimore seien schon jetzt absehbar. Im Kongress versprachen heute einige führende Politiker beider Parteien, sie hätten die Botschaft verstanden und wollten das Problem anpacken.
Auch Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton griff das Thema in einer Rede auf. Sie forderte obligatorische Kameras für Polizisten und ein Ende der überlangen Haftstrafen für Kleindelikte, diese seien ein Grund für die überdurchschnittlich hohe Zahl Afroamerikaner in den Gefängnissen. Bleibt abzuwarten, was daraus wird, wenn Baltimore in den Medien nicht mehr das Hauptthema ist.