Matthias Zehnder, in diesem Jahr feiert das Basler Münster seinen 1000. Geburtstag. Was genau geschah denn im Jahr 1019?
Der eigentliche Vorgänger des Münsterbaus, das Heinrichsmünster, wurde in diesem Jahr geweiht. Das war für Basel ein grosses Ereignis, es hat den Aufschwung der Stadt eingeleitet. Der Bau wurde von Kaiser Heinrich II. gestiftet.
War das Münster damals denn schon fertig?
Es gab vor jenem Münster bereits eine Kirche am selben Ort aus dem 9. Jahrhundert. Das Münster, das Heinrich II. stiftete, war aber quasi ein Neubau. Man hat ihn 1019 fertiggestellt. Münster waren aber ewige Baustellen, man hat immer wieder Dinge daran verändert und es gab auch immer wieder Zwischenfälle.
Was ist denn vom damaligen Münsterbau übrig geblieben?
Das Münster von 1019 war ein frühromanischer Bau. Heute ist das eine völlig andere Kirche. Man vermutet, dass die hellsten Bausteine des heutigen Münsters die ältesten sind. Aber die Fassade, so wie wir sie heute kennen, sah damals ganz anders aus.
Sie bezeichnen das Münster als ewige Baustelle. Was waren einschneidende Ereignisse?
Im Jahr 1185 brannte das Münster ab. Die Kirche hatte damals noch viel mehr Holzdecken. Danach wurde das Münster neu aufgebaut - und es erhielt fünf Türme. Diese wiederum stürzten beim grossen Erdbeben 1356 ein. Auch die Gewölbe wurden damals zerstört.
Kann man also sagen, das Münster, so wie man es heute sieht, war die Folge des Erdbebens?
Durchaus. Nach dem Erdbeben sorgte man sehr rasch dafür, dass man wieder Gottesdienste feiern konnte. Aber es ging sehr lange, bis das ganze Münster wieder aufgebaut war. Erst im Jahr 1500 wurde der letzte Stein der Türme, die man heute sieht, eingesetzt.
1529 erreichte die Reformation die Stadt Basel und auch das Münster. Wo sieht man heute die Spuren, die die Reformation an der Kirche hinterlassen hat?
Das Münster war vor der Reformation viel üppiger eingerichtet. Es gab viele Bilder an der Wand und es hatte viele Statuen. Zudem waren bis zu 60 Altare im Münster. Heute ist der Innenraum karger.
Das heisst: Es gab einen Bildersturm.
Es gab in Basel einen Bildersturm, aber er war weitaus weniger heftig als beispielsweise in Zürich. Man hat sehr früh ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass die Bilder und Statuen auch Kunst sind. Man hat sie gerettet und kann sie heute beispielsweise im Museum Kleines Klingental finden.
Was wurde aus dem Münsterschatz?
Für den Münsterschatz war nicht die Reformation tragisch, sondern die Kantonstrennung. Damals ging die Hälfte des Münsterschatzes an den Kanton Baselland und dieser hat ihn verscherbelt. Wichtige Teile des Münsterschatzes sind daher heute in Frankreich. Immerhin: Eine Altartafel aus Gold kommt diesen Herbst zum ersten Mal nach der Kantonstrennung zurück nach Basel. Sie ist in der Ausstellung zum Münster-Jubiläum im Kunstmuseum zu sehen.
Wie finanziert die evangelisch-reformierte Kirche als Besitzerin den Unterhalt des Münsters?
Die eigentlichen Renovationsarbeiten übernimmt grösstenteils der Staat. Für den Betrieb ist die Kirche zuständig und das wird zunehmend zum Problem. Es stellt sich die Frage, wie lange man es sich noch leisten kann, das Münster täglich offen zu halten. Es ist ein unglaubliches Privileg, einen tausendjährigen Bau zu haben und dafür verantwortlich zu sein. Aber langfristig muss sich die Gesellschaft fragen, wie sie mit historischen Bauten umgehen will, welche die Kirche allein nicht mehr tragen kann.