Der Kabarettist Gerhard Polt tritt am 9. Dezember im Volkshaus Zürich und am 10. Dezember im Konzertsaal Solothurn zum vorerst letzten Mal in der Schweiz auf. Warum der Münchner danach nicht mehr auf Tournee geht und ob er den Druck der Political Correctness spürt, erzählt er im Interview.
SRF News: Wieso wollen Sie nicht mehr auf Tournee gehen?
Gerhard Polt: Ich bin jetzt 82 Jahre alt, und der Mensch ist nun mal endlich. Das viele Reisen wurde zunehmend zur Strapaze. Letztes Jahr bin ich zweimal mit dem Zug von München nach Zürich gefahren. Und ich sage Ihnen: Diese Zugfahrten waren abenteuerlich, das muss man wirklich erlebt haben. Einmal blieb der Zug in St. Gallen einfach stehen, und ich hätte beinahe dort übernachten müssen. Früher hiess es immer, die Gesellschaft sei mobil, aber heute wird sie zunehmend «stabil». Jedenfalls ist mir das alles zu anstrengend geworden.
Man spürt eine grosse Ohnmacht, weil man das Gefühl hat, gegen all diese Kriege nichts ausrichten zu können.
Wenn Sie mit Ihrer Lebenserfahrung, insbesondere Ihrer Kriegserfahrung – Sie sind im zerbombten München aufgewachsen – auf die heutige politische Lage blicken: Was denken Sie?
Man spürt eine grosse Ohnmacht, weil man das Gefühl hat, gegen all diese Kriege nichts ausrichten zu können. Das ist nicht angenehm. Aber – um ein bisschen Zuversicht zu bewahren – erinnere ich mich an einen bayerischen Witz: «Du, pass auf, morgen soll der Atomkrieg sein.» Darauf sagt der andere: «Du schau, da hab ich keine Zeit, da bin ich in Holzkirchen.» Ein wenig Optimismus muss man sich einfach erhalten.
Hat sich aus Ihrer Sicht der Umgang mit politischen und gesellschaftlichen Themen in der Kunst verändert, Stichwort Political Correctness? Steht die Freiheit der Kunst heute stärker unter Druck?
Ich persönlich spüre diesen Druck nicht und würde mich auch nicht unter Druck setzen lassen. Natürlich habe ich mitbekommen, dass es Diskussionen gibt, etwa über das Wort «Indianer». Manche meinen, es dürfe nicht mehr verwendet werden. Aber warum? Kolumbus dachte, er sei in Indien gelandet, daher der Begriff. Wen stört es, wenn hier in der Schweiz oder in Bayern jemand das Wort benutzt? Warum sollte das provozieren? Ich verstehe es nicht.
Wenn ich weiss, dass ein Wort nie diskriminierend gemeint war, warum sollte ich es nicht mehr sagen?
Warum akzeptieren es Sie nicht, wenn Teile der Gesellschaft bestimmte Wörter als diskriminierend empfinden?
Die Aggressivität geht oft von denen aus, die sich an diesen Wörtern stören. Aber was genau stört sie? Warum wollen sie diese Wörter abschaffen? Ich habe dafür kein Verständnis. Wenn ich weiss, dass ein Wort nie diskriminierend gemeint war, warum sollte ich es nicht mehr sagen? Als Kind habe ich «Cowboy und Indianer» gespielt – und war mit Leidenschaft «Indianer», weil ich auf der gerechten Seite stehen wollte.
Beeinflusst die Debatte um Political Correctness Ihre Arbeit auf der Bühne?
Nein. Wenn jeder ständig ängstlich um sich schauen würde, ob er jemanden verletzt, dann würden wir irgendwann alle verstummen. Es wird immer jemanden geben, der sagt: «Das passt mir nicht, das provoziert mich.» Was soll man dann noch sagen? Auf Dauer würde man stumm werden. Das ist gefährlich. Dafür haben wir doch die Redefreiheit und Meinungsfreiheit, und die möchte ich nutzen.
Die Satire kalkuliert Missverständnisse mit ein. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass jemand etwas missversteht. Aber viele verstehen es auch richtig. Und genau das macht die Kunst der Satire aus: Sie lässt Raum für Interpretation.
Das Gespräch führte David Karasek.