Im Kanton Thurgau ist die gesetzliche Grundlage für den Einsatz einer automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV) unzureichend. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Es hat die Beschwerde eines Mannes gutgeheissen, der ohne Führerausweis Auto fuhr.
Schuldspruch vor Bundesgericht angefochten
Das Obergericht des Kantons Thurgau verurteilte den Mann im Juni 2018 wegen mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung und wegen weiterer Delikte zu einer bedingten Geldstrafe. Den Schuldspruch bezüglich Fahrens ohne Berechtigung focht der Betroffene vor Bundesgericht an und bekam nun Recht. Die Lausanner Richter haben das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und zurückgewiesen.
Das Bundesgericht hält in seinen Erwägungen fest, das Thurgauer Polizeigesetz sei zu wenig klar, um als Grundlage für die AFV dienen zu können. Für die Strassenverkehrsteilnehmer sei wegen der vagen Bestimmung nicht vorhersehbar, welche Informationen gesammelt, aufbewahrt und mit anderen Datenbanken abgeglichen würden. Zudem sei die Aufbewahrung und Vernichtung der Daten nicht ausreichend geregelt.
Kamera erfasst Kontrollschild
Bei der AFV wird das Kontrollschild mit einer Kamera erfasst. Damit wird die Identität des Fahrzeug-Halters ermittelt. Gespeichert werden auch Zeitpunkt, Standort, Fahrtrichtung und Fahrzeuginsassen. Diese Daten werden anschliessend mit anderen Datenbanken automatisch abgeglichen.
Aus den so erhobenen Daten lassen sich gemäss Bundesgericht Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellen. Sie könnten zu einem Gefühl der Überwachung führen. Die AFV stelle somit einen schweren Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar, die in der Bundesverfassung garantiert werde.
Polizei nimmt Anlagen ausser Betrieb
Die Thurgauer Kantonspolizei reagiert umgehend auf den Bundesgerichtsentscheid. Die beanstandeten Anlagen werden umgehend ausser Betrieb genommen. Man werde möglichst rasch versuchen, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, welche dem Bundesgericht genüge, sagt Mediensprecher Andy Theler: «Bis jetzt waren wir der Ansicht, dass das Polizeigesetz die nötige gesetzliche Grundlage bietet.» Darin bestätigt hätten sie bis jetzt der eidgenössische und der kantonale Datenschützer sowie auch das höchste Thurgauer Gericht. Das Bundesgericht sei jetzt aber anderer Meinung.
Verkehrskontrollen wird die Thurgauer Kantonspolizei trotzdem weiterhin durchführen – statt moderner Technik kommen jetzt wieder Polizistinnen und Polizisten zum Einsatz.