«Wenn ich sehe, was wir hier alles am Hallwilersee haben, dann würde es mich gar nicht wundern, wenn da ein Kaiman drin wäre.» Wildhüter Bruno Fürst macht ein ernstes Gesicht, wenn er über die unfreiwillige Artenvielfalt am Hallwilersee spricht. «Wir haben hier Schmuckschildkröten, Rotwangenschildkröten, Koi's oder Muscheln, die nicht hierhin gehören.»
Bruno Fürst ist an diesen Tagen am Hallwilersee sehr gefragt. Als einer von mehreren Hallwilersee-Rangern bringt er den Besuchern die Natur näher und sorgt für Ordnung. Sobald er irgendwo stehen bleibt und das Fernglas zur Hand nimmt, kommen die Leute auf ihn zu und stellen Fragen zum Kaiman.
Nein, gefährlich sei er nicht. Kinder isst er nicht, sondern junge Enten, Ratten oder Fische. Und nein, es werde nicht einfach, ihn zu sehen – geschweige denn zu fangen. Und ja, wer ihn doch zu sehen bekomme, solle sich die Stelle gut einprägen und die Polizei unter der Nummer 117 anrufen.
Wenn das Krokodil vor mir steht, laufe ich ihm nach
Familie Mordasini aus dem Oberaargau ist eben erst am Hallwilersee angekommen, auf dem Campingplatz Seeblick in Mosen, an der Grenze zwischen den Kantonen Aargau und Luzern. Vom Kaiman wussten sie noch nichts. «Sonst hätten wir vielleicht nicht einen Platz direkt am See genommen», schmunzelt Vater Mattia.
Doch wirklich Angst haben sie nicht. Am wenigsten Sohn Basil, erst einige Jahre alt: «Wenn das Krokodil vor mir steht, laufe ich ihm nach.» Er möchte auf keinen Fall, dass die Familie den Zeltplatz wechselt, weg vom Ufer.
Da läuft was – ist doch cool.
Die Familie Geiser aus dem Kanton Bern ist schon etwas länger da. Claudia Geiser schwimmt ebenso wie ihr Mann gerne länger im See, auch weiter draussen.
«Das gibt jetzt schon ein bisschen ein mulmiges Gefühl», erklärt sie. Aber verzichten will sie nicht. Das Tier greife ja nicht an. Auch um ihre Kinder sorgt sie sich nicht. Ihr Mann Christof meint gar, dass das doch etwas Abwechslung bringe. «Da läuft was – ist doch cool.»
Ich hoffe schon, dass nun mehr Touristen hierher kommen.
Das sehen vor allem die Kinder und Jugendlichen auf dem Campingplatz so. Soeben kommt ein Kanu mit einigen Jungs drin zurück. Die seien vor einer Stunde zur Expedition aufgebrochen, um das Tier zu sehen, erklärt mir einer der Väter. Den Gesichtern sieht man aber schnell an: Diese Expedition war nicht von Erfolg gekrönt. Die Buben werden es wohl wieder versuchen.
Häufiger auf dem Campingplatz unterwegs ist jetzt Markus Willi. Er ist der Platzwart und Miteigentümer des Campingplatzes. Er informiert die Leute, schaut nach dem Rechten – und vor allem häufiger ans Ufer.
Auch er ist überzeugt, dass das Tier keine Gefahr darstelle. Das habe man ihm versichert. Deshalb sieht er das Ganze positiv. «Ich hoffe schon, dass nun mehr Touristen hierher kommen, den Camping besuchen und bedenkenlos schwimmen», meint Willi mit einem Schmunzeln.
Das junge Krokodil ist ja noch zu klein, um mich zu fressen.
Am See unten, beim Steg, stehen die Geschwister Jessica und Céline, 8- und 11-jährig. Sie sind überzeugt, das Tier vor wenigen Stunden gesehen zu haben. Damals, als noch niemand vom Kaiman wusste. «Mama hat uns das aber nicht geglaubt.» Jetzt sehe das etwas anders aus.
Die Ältere von beiden, Céline, hat das Tier entdeckt und ist nun nicht mehr so scharf darauf, weit hinaus in den See zu schwimmen. Jessica hingegen scheint es kaum erwarten zu können, den Kaiman nochmals zu sehen. «Das junge Krokodil ist ja noch zu klein, um mich zu fressen. Es isst kleine Enten und Fischli, oder?»