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Kritik an Kulturförderung Paukenschlag beim Aargauer Kuratorium: Vize-Präsident tritt ab

Seit Wochen steht das Aargauer Kuratorium in der Kritik. Einzelne Kuratorinnen und Kuratoren würden sich selbst als Kulturschaffende Fördergelder zuschanzen, so der Vorwurf in der «Aargauer Zeitung». Nun zieht der angeschossene Vizepräsident Stephan Diethelm die Konsequenzen: Er hat am Montagabend seinen sofortigen Rücktritt bekannt gegeben.

Gefordert ist nun der Präsident des Kuratoriums, Rolf Keller. Er spricht von einem aufgeblasenen Problem: Bei 761 Gesuchen im letzten Jahr seien nur bei einer Handvoll Kuratorinnen und Kuratoren involviert gewesen. Trotzdem: Er muss den Vorwurf der «Vetternwirtschaft» kontern und die Glaubwürdigkeit seiner Institution schützen. Wie will er das erreichen?

Rolf Keller

Präsident Aargauer Kuratorium

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Rolf Keller hat Anglistik studiert und den Doktortitel erworben. Er baute an der Universität Basel das Studienangebot Kulturmanagement auf. Seit 2012 ist Rolf Keller Präsident des Aargauer Kuratoriums. Gewählt hat ihn der Regierungsrat. Rolf Keller wohnt in Aarau.

(Bild: Daniel Desborough)

Aargauer Kuratorium

SRF: Wie reagieren Sie auf den sofortigen Rücktritt des kritisierten Fachleiters Jazz und Rock/Pop?

Rolf Keller: Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass die Situation für Stephan Diethelm und seine Familie zu einer nicht mehr tragbaren Belastung geworden ist. Es gibt ein Grundsatz-Thema, das man diskutieren muss und das wir bereits oft diskutiert haben. Aber dass diese Geschichte so stark auf eine einzige Person bezogen ausgeschlachtet wurde, das erachten wir als unfair.

Sie sprechen von einer «tendenziösen Berichterstattung». Gleichzeitig müssen Sie sich Sorgen machen, dass auch andere Kuratorinnen und Kuratoren solchen Vorwürfen ausgesetzt werden. Reichen die Regelungen wirklich aus?

Ich glaube immer noch, dass es grundsätzlich reicht. Aber die Situation ist jetzt so hochgekocht, dass wir die bisherigen Regelungen wohl noch einmal überprüfen müssen. Allerdings warten wir noch auf konstruktive Vorschläge: Es wird sehr heftig kritisiert, aber niemand hat bisher gesagt, in welche Richtung man etwas verändern könnte.

Wir warten auf konstruktive Vorschläge.

Einen Vorschlag hört man schon: Das Aargauer Kuratorium könnte mit ausserkantonalen Experten besetzt werden. Was halten Sie davon?

Zur Hälfte ist dieser Vorschlag bereits umgesetzt. Die Hälfte der Mitglieder des Kuratoriums wohnt nicht im Aargau. Aber wenn man grundsätzlich sagen würde, es dürfen nur noch Zürcher, Berner, Walliser und Bündner gewählt werden, dann ist das Problem evident: Wir fördern Aargauer Kultur.

Diese Leute kennen diese Kultur nicht, sie können die Qualität nicht beurteilen oder die Wirkung einzelner Projekte auf die Aargauer Kulturszene. Und sonst muss man einfach sagen: Die Verwaltung soll das Geld verteilen. So, wie wenn es um Strassenbau oder Landwirtschaft geht.

Was sie auch nicht für eine sinnvolle Idee halten.

Das ginge völlig am Modell «Kuratorium» vorbei, um das wir in der ganzen Schweiz benieden werden, dass hier eben unabhängige Fachleute über das Kulturleben befinden können. Natürlich müssen wir darauf achten, dass niemals etwas wie «Vetternwirtschaft» entstehen kann. Aber es ist doch so in der Schweiz: Alle kennen alle, etwas übertrieben gesagt.

Wenn jemand jemanden gut kennt, dann hat man einen Vorteil.

Und wenn jemand jemanden sehr gut kennt, dann hat man einen Vorteil im Zugang zu einer Geldquelle zum Beispiel. Nicht, dass man gleich einen Beitrag erhält, aber man kann zum Beispiel anrufen und fragen, ob ein Projekt wohl Chancen hätte. Das ist ein anderer Zugang, als wenn man wildfremd ist.

Sie tönen es an: In der Aargauer Kulturszene wird seit Jahren darüber gesprochen, dass sich gewisse Leute kennen und dass gewisse Leute deshalb vielleicht eher an Geld des Kuratoriums kommen. Haben Sie diese Debatte nicht kommen sehen?

Wir schauen ja schon sehr lange sehr genau darauf. Dieses Bewusstsein für die Problematik ist völlig vorhanden. Ich bin jetzt dann seit acht Jahren im Kuratorium und dieses Bewusstsein war immer schon vorhanden, dass es da potentiell heikle Situationen gibt.

Das Gespräch führte Maurice Velati

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