Die in der Verfassung festgeschriebene Würde des Tieres soll endlich auch in der Landwirtschaft eingehalten werden. Das fordert die am 25. September vors Volk kommende Initiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz». Zu den Forderungen gehören ein täglicher Gang ins Freie, schonendere Schlachtmethoden und viel weniger Tiere pro Weidefläche und Stall. Der letzte Punkt zielt vor allem auf die Hühner und Schweinemast.
Das Begehren wolle den Weg bereiten für eine standortgerechte und möglichst tiergerechte Landwirtschaft, betont die grüne Nationalrätin und Mitinitiantin Meret Schneider. Das Schweizer Grasland sei auf Wiederkäuer wie Kühe ausgerichtet und nicht auf die verbreitete intensive Poulet- und Schweinemast: «Von der grossen industriellen Produktion möchten wir wegkommen.» Für die Fleischproduktion soll in Zukunft «Bio»-Standard gelten.
Von der grossen industriellen Produktion möchten wir wegkommen.
Geballter Widerstand von Bauern und Wirtschaft
Nun hat auch die Gegnerschaft ihren Abstimmungskampf lanciert. Mit dem Schweizer Bauernverband an der Spitze, zusammen mit dem Wirtschaftsverband Economiesuisse und dem Gewerbeverband sowie vielen bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern.
Bauernpräsident und Mitte-Nationalrat Markus Ritter bezeichnet diese Initiative als «unnötig». Die Schweiz habe weltweit das strengste Tierschutzgesetz und sei das einzige Land mit einer Höchstbestand-Verordnung. Daraus ergäben sich viel kleinere Tierbestände als in den umliegenden Ländern oder irgendwo auf der Welt.
Irreführung?
Das sei Irreführung, kontert Meret Schneider und verweist auf hochgezüchtete Masthühner, die in den Ställen viel zu wenig Platz hätten: «Sie müssen in ihrem teils nur 30-bis 40-tätigen Leben möglichst schnell Fleisch ansetzen, so dass sie kaum auf den Beinen stehen können. Das ist keine Produktion, die den Bedürfnissen der Tiere auch nur im Ansatz Rechnung trägt.»
«Ja, es ist richtig, dass wir nicht mehr fünf oder zehn Hühner halten, sondern mehr. Aber die Tierproduktion muss wirtschaftlich sein. Wenn jemand etwas speziell für das Tierwohl tun will, kann er Bio-Produkte kaufen, denn die Label-Schiene bleibt ja offen.»
Wenn jemand etwas speziell fürs Tierwohl tun will, kann er Bio-Produkte kaufen.
Steigende Fleischpreise
Unterschiedliche Ansichten über das Tierwohl sind das Eine, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Initiative das Andere. Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder warnt: «Hier soll eine Zwangsproduktion herbeigeführt werden, für die offenbar keine grössere Nachfrage besteht. Der freie Markt würde vollends ausgeschaltet.»
Hier soll eine Zwangsproduktion herbeigeführt werden, für die offenbar keine grössere Nachfrage besteht.
Laut Mäder würden bei einer Annahme der Initiative die Fleischpreise um 20 bis 40 Prozent steigen. Das würde nach seinen Worten voll auf Konsumentinnen und Konsumenten überwälzt.
Ja, Fleisch werde teurer, aber das sei auch richtig so, betont Mit-Initiantin Meret Schneider: «Schweizerinnen und Schweiz essen ohnehin zu viel Fleisch und ein Drittel unseres Essens landet als Food Waste im Abfall.» Solange Privathaushalte so viel gekauftes Essen wegwärfen, kann mir niemand sagen, die Lebensmittel seien grundsätzlich zu teuer.»
Solange Privathaushalte so viel gekauftes Essen wegwerfen, kann mir niemand sagen, die Lebensmittel seien grundsätzlich zu teuer.
Welche Tierhaltung, welche Fleischproduktion will die Schweiz also? Und zu welchem Preis? Wessen Argumente mehr überzeugen, wird sich im Herbst an der Urne zeigen.