Die Abstimmung von 2017 über den Wechsel von Moutier vom Kanton Bern zum Kanton Jura ist ungültig – dieses Urteil hat das Berner Verwaltungsgericht nun bestätigt. Der Journalist Christian Moser ist ausgewiesener Kenner des Jura-Konflikts und seiner Geschichte. Er hält eine neuerliche Abstimmung für denkbar. Ansonsten könnte sich der Fall noch Jahre hinziehen.
SRF News: Die Pro-Jurassier haben bereits angekündigt, das Urteil nicht zu akzeptieren. Wie geht es jetzt weiter?
Christian Moser: Die Pro-Jurassier wollen den Fall ans Bundesgericht weiterziehen. Es wird vielleicht mehrere Jahre dauern, bis ein Entscheid vorliegt. Möglich ist, dass die Behörden – von Moutier, der Kantone Jura und Bern und des Bundes – von sich aus entscheiden, eine Wiederholung der Abstimmung anzuordnen.
Stellen die Pro-Jurassier mit dem Weiterzug ans Bundesgericht das Berner Gericht grundsätzlich in Frage?
Eindeutig. Es gibt ein unglaubliches Misstrauen gegenüber Bern, seinen Behörden und insbesondere gegenüber der Justiz. Das zieht sich durch die ganze Geschichte des Jura und gilt bis heute. Schon der Entscheid der Regierungsstatthalterin, die die Abstimmung für ungültig erklärte, wurde heftigst kritisiert. Sie sei eine Vasallin von Bern, lautete der Vorwurf.
Auch das Berner Verwaltungsgericht wird kritisiert. Es habe im Sinne der Berner gegen die Jurassier entschieden. Die Separatisten sprachen in einer ersten Stellungnahme von «Bernoiserie», die da geschehen sei.
Wie heiss wird die Moutier-Frage heute noch diskutiert, zwei Jahre nach der Abstimmung?
Es gibt weiterhin riesige Emotionen. Wenn es um die Frage von Moutiers Kantonszugehörigkeit geht, stehen sich zwei ungefähr gleich grosse Lager gegenüber. Das ist insofern erstaunlich, als die Separatisten bei Wahlen in der Stadt Moutier jeweils deutlich mit 60 Prozent gewinnen. Es gibt also einen Unterschied: Gewählt wird klar separatistisch, bei der Abstimmung über die Kantonszugehörigkeit sind die Lager aber etwa gleich gross.
Kann das Bundesgericht in der Moutier-Frage noch einmal alles auf den Kopf stellen?
Das ist grundsätzlich möglich. Das Bundesgericht hat jederzeit die Möglichkeit, den Entscheid eines kantonalen Gerichts umzustürzen. Ich vermute aber doch, dass es handfeste Gründe dafür gibt, den Entscheid so stehen zu lassen. Das Bundesgericht wird nicht darum herumkommen zu sehen, dass das Verwaltungsgericht des Kantons Bern nicht alle Entscheidungen der Statthalterin gutgeheissen hat.
Es ist denkbar, dass das Bundesgericht zum gleichen Entscheid wie das Berner Verwaltungsgericht kommen wird.
Eines fällt ganz schwer ins Gewicht: Die Stadt Moutier weigerte sich aus Misstrauen gegenüber den Berner Behörden, die Liste der Stimmberechtigten an die Staatskanzlei des Kantons Bern zu überreichen. Auch das Bundesgericht dürfte das rügen. Es ist schwierig vorauszusehen. Aber es ist denkbar, dass das Bundesgericht zum gleichen Entscheid wie das Berner Verwaltungsgericht kommen wird.
Das Gespräch führte Antonia Moser.