Der Aufruf «Nicht vergessen, Uhren umstellen!» hat im Zeitalter von Smartphones zwar seinen Schrecken verloren. Denn spätestens beim morgendlichen Blick aufs Handy sind wir alle in der richtigen Zeit angekommen. Auch diesen letzten Sonntag im Oktober wieder.
Doch halbjährlich stellt sich die gleiche quälende Frage: «Eine Stunde vor oder zurück?» Die gute Nachricht vorweg: Die Uhren wurden in der Nacht eine Stunde zurückgestellt. Das Wochenende ist noch lang, der Montag weeeeeeeit weg. Erstmal so richtig einmummeln in der Winterzeit.
«Halt!», sagt Jürg Niederhauser, Stabschef beim eidgenössischen Institut für Metrologie. Die Metrologie ist die Wissenschaft des Messens. Kein Wunder, nimmt es Niederhauser sehr genau: Denn die «Winterzeit» existiert nur im Volksmund. «Es gibt die Normalzeit, also die gesetzliche Zeit. Als Abweichung gibt es die Sommerzeit.»
War da nicht etwas?
Aber sollte die Zeitumstellung in Europa nicht abgeschafft werden? Tatsächlich hat das EU-Parlament 2019 entschieden, eben dies zu tun. Passiert ist seither aber wenig. Denn es braucht noch die Zustimmung der 27-EU-Mitgliedstaaten. Doch auch, wenn sich eine Mehrheit der Länder für die Abschaffung der Zeitumstellung aussprechen würde, wäre der Prozess noch nicht abgeschlossen. Dann nämlich könnte jedes Land für sich entscheiden, ob künftig immer Sommer- oder Normalzeit herrschen soll.
Generell gilt: Je weiter nördlich, desto weniger Freunde hat die Sommerzeit. Skandinavische Länder haben wenig Interesse daran, die Sommerzeit zur Normalzeit werden zu lassen. Dann nämlich würde es im Winter morgens noch später hell. Die touristisch ausgerichteten Länder rund ums Mittelmeer möchten ihre Gäste dagegen abends auch draussen bedienen, bevor die Nacht hereinbricht.
Droht also ein nationaler Flickenteppich in Europa? Und könnte die Schweiz dereinst die gleiche Zeit wie Deutschland und Österreich haben, während französische Grenzgänger ihre Uhren umstellen müssten, wenn sie nach Genf zur Arbeit kommen? «Ausgeschlossen ist das nicht», sagt Niederhäuser. Auch wenn stark vernetzte Länder wie Frankreich, die Benelux-Staaten und Deutschland das Ziel verfolgten, zeitlich «synchron» zu bleiben.
Für die Schweiz heisst das: Abwarten. Sobald klar ist, was unsere europäischen Nachbarn machen, würden wir wohl nachziehen. «Wir haben ja kein Interesse daran, zu einer Zeit-Insel zu werden», sagt Niederhäuser. Je nach Szenario bräuchte es dann auch einen Volksentscheid.
Stimmen wir bald über die neue «Zeitordnung» ab?
Für einen Wechsel auf die ewige Sommerzeit bräuchte es einen Beschluss des Parlaments samt Gesetzesänderung. Ein Referendum dagegen wäre garantiert, sagt Niederhäuser – das Volk würde also entscheiden. Sollte dagegen ganzjährig auf die Normalzeit gewechselt werden, könnte dies der Bundesrat entscheiden. «Er könnte die Sommerzeit-Verordnung im Messgesetz abschaffen und damit wäre auch die Zeitumstellung abgeschafft.»
Klar ist: Die Zeitumstellung wird uns bis auf weiteres erhalten bleiben. Sollte eine neue Zeitordnung heranbrechen, wird sich kaum jemand ein Chaos wie 1980 zurückwünschen. Zwei Jahre zuvor sagte das Stimmvolk Nein zur Sommerzeit – in der Folge tickten die Uhren ein halbes Jahr anders als in unseren Nachbarstaaten. Ein Jahr später fand die Politik doch noch einen Weg, um die Zeiger wieder gleichzustellen.
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