Zwangsarbeit und sexuelle Übergriffe: Über tausend Frauen haben dies in der Frauenanstalt Hindelbank zwischen 1866 und 1981 erlebt. Sie alle wurden von den Behörden «administrativ versorgt», das heisst, sie wurden oftmals auf unbestimmte Zeit und ohne Gerichtsurteil weggesperrt.
Schwammige Begriffe führten zu Willkür
«Als Grund dafür galt etwa ein liederlicher Lebenswandel, also beispielsweise wenn eine unverheiratete Frau ein Kind bekam», sagt Historikerin Loretta Seglias.
Die Behördenvertreter, oder der Vormund einer Frau, hätten solche Begriffe wie «liederlich» grosszügig auslegen können. Dies habe ihnen einen grossen Handlungsspielraum gegeben, wer weggesperrt gehöre und wer nicht. «Die Behörden hatten Angst, dass das herrschende Gesellschaftssystem auseinanderbrechen könnte», so Seglias.
Die Frauen mussten etwa die Wäsche von Spitälern waschen.
Die Frauen sollten durch Arbeit zu einem arbeitsamen und moralisch einwandfreiem Lebenswandel erzogen werden. Seglias: «Die Frauen mussten Zwangsarbeit leisten und etwa die Wäsche von Spitälern waschen.»
Übergriffe hatten System
Die Frauenanstalt Hindelbank war das grösste Frauengefängnis der Schweiz. Die administrativ versorgten Frauen wurden mit straffälligen Frauen eingesperrt. Innerhalb der Anstaltsmauern waren sie Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen des männlichen Personals ausgeliefert.
Was hinter den Anstaltsmauern geschah, drang selten nach aussen.
So ist der Fall eines Wäschemeisters überliefert, der sich systematisch sexuell an Insassinnen verging. Er wurde vom Anstaltsdirektor geschützt und erst nach Jahren verurteilt. «Frauen, die Übergriffe meldeten, wurden nicht ernst genommen», sagt Seglias. Und was hinter den Anstaltsmauern geschah, drang selten nach aussen. «Briefe wurden zensiert und Anstaltsbesuche erst spät eingeführt.» Dies habe dem Anstaltspersonal viel Raum gegeben, seine Macht auszunutzen.
Erst ab den 1960er-Jahren wurden in der Gesellschaft kritische Stimmen zur administrativen Versorgung in der Schweiz laut und langsam begann man, das Anstaltspersonal auszubilden. Dies führte zu einer Verbesserung der Situation der Insassinnen – nicht nur in Hindelbank.