Das Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung (Kibeg) wurde im Juni 2016 vom Aargauer Stimmvolk angenommen. Der Kanton gewährte den Gemeinden eine Übergangsfrist bis zum Schuljahr 2018/2019. Jetzt müssen alle Gemeinden bereit sein und Kinderbetreuung nach den Sommerferien anbieten, wenn in der Gemeinde Bedarf besteht. Mittagstische, Randstundenbetreuung, Kita – welche Form eine Gemeinde wählt ist nicht vorgegeben.
Die Gemeinde Schwaderloch zum Beispiel musste einiges leisten, damit sie ein solches Kinderbetreuungsangebot hinkriegt. Bisher gab es am Donnerstag einen Mittagstisch, geführt von freiwilligen Eltern. Die Kinder konnten ziemlich kurzfristig hin. Mehr gab es in der 700-Seelen-Gemeinde nicht. Das ist nun anders. Die Bedarfserhebung in der Gemeinde hat gezeigt: es braucht Randstundenbetreuung am Morgen, am Abend, und durchgehend einen Mittagstisch.
Wie solche Angebote aufgebaut sind, weiss Marta Neukom. Sie ist im Schulhaus Au-Erle in Brugg Lehrerin. Gleichzeitig ist sie Gemeinderätin in Schwaderloch. Was sie und ihre Kollegen lernen mussten, ist wie man ein Betreuungsreglement aufgleist. Was zahlt die Gemeinde Eltern, die wenig verdienen und die Kinderbetreuung nicht alleine berappen können? Welche Tarife gelten? Alleine schafft man das nicht, hat die Gemeinde gefunden.
Schwaderloch hat daraufhin mit den Gemeinden Full-Reuenthal und Leibstadt eine Arbeitsgruppe gebildet und ein einheitliches und gemeinsames Reglement ausgearbeitet. Die Kinderbetreuung teilen sich die Gemeinden. An drei Standorten gibt es Mittagstische, Randstundenbetreuung, etc. Eine professionelle Leiterin organisiert ein Team mit Betreuerinnen und damit die Kinderbetreuung. Die Ferienbetreuung übernehmen Schulen in Klingnau und Döttingen. Das können die drei kleineren Gemeinden nicht leisten.
Was Marta Neukom als Gemeinderätin für Schwaderloch organisiert hat, passierte in ganz vielen Aargauer Gemeinden. Die meisten seien gut unterwegs, sagt Bea Bieber, Projektleiterin und Fachbetreuerin bei der Fachstelle Kinder und Familien in Ennetbaden. Die Fachstelle führt selbst Kinderbetreuungsangebote, berät Gemeinden oder erhält ganze Mandate von Gemeinden, um das neue Gesetz umzusetzen. Der Aufwand für die Gemeinden sei gross, aber er lohne sich, ist Bea Bieber überzeugt.
Das Telefon in der Beratungsstelle von Bea Bieber klingelt nonstop. Gemeinden wollen Detailfragen bis zum Schulstart geklärt haben. Die meisten haben ihre Betreuungsreglemente an den Gemeindeversammlungen durchgebracht. «Das heisst aber nicht, das alles klar ist. Es gibt nach wie vor Detailfragen», weiss Bea Bieber aus Erfahrung. Zudem müssten die geschaffenen Betreuungsangebote nun einmal starten. Erst dann sähe man, wie was genau genutzt werde. «Die Eltern müssen zuerst Vertrauen in die Angebote fassen», so Bieber.
Blockzeiten, Randstundenbetreuung von Morgens um 7 Uhr bis Abends um 18 Uhr, das muss zum Beispiel Schwaderloch anbieten. Die Umfrage nach Vorlage des Kantons hat den Bedarf angezeigt. Nun haben aber – anders als das Umfrageresultat – nur drei Schwaderlocher Eltern ihre Kinder verbindlich für den Mittagstisch angemeldet. «Wir sind überrascht. Wir als Gemeinde geben den Eltern nun halt etwas Zeit», sagt Marta Neukom, Gemeinderätin aus Schwaderloch. Man müsse wohl am Anfang etwas investieren, um langfristig etwas zurückzubekommen.
Unter dem Strich lohnen sich Tagesstrukturen, sagt auch Bea Bieber von der Fachstelle Kinder und Familien, es sei aber schwierig, das den Gegnern von Betreuungskonzepten zu erklären. «Wenn Eltern wieder arbeiten können, kommen mehr Steuern rein. Die Gemeinde wiederum spart bei der Sozialhilfe. Aber das braucht etwas Zeit», sagt Bieber weiter.
Viele Gemeinden im Aargau sind nun im Endspurt. Bis August muss alles organisiert sein. Diese Woche entscheiden zum Beispiel noch Niederwil oder Olsberg über entsprechende Betreuungsreglemente.