Für Betroffene ist es oft kein einfacher Schritt, sich nochmals intensiv mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Doch wer beim Bund einen Solidaritätsbeitrag beantragt, muss nachweisen, ein Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen oder Fremdplatzierungen zu sein. Für den 59-jährigen Eugen Stampfli aus dem Toggenburg ist deshalb klar: Er will die Geschehnisse während seiner Kindheit geklärt wissen. Heute weiss er nur, dass er als uneheliches Kind er im Alter von drei Jahren bei einer Pflegefamilie untergebracht wurde. Den Grund für die Fremdplatzierung kennt der gelernte Elektriker bis heute nicht. Bis er mit 20 Jahren von zu Hause ausreisst, wird er zum Arbeiten verdonnert. Er erzählt von Schlägen, die er erdulden musste.
Das Geld ist mir nicht wichtig. Viel mehr bedeutet mir die Anerkennung, dass ich ein Opfer bin.
Bis heute lässt ihn seine Vergangenheit nicht los. Seit einiger Zeit ist er in Behandlung. «Ich will wissen, weshalb ich an diesem Punkt angelangt bin», sagt der zweifache Familienvater.
Bei der Opferhilfe kümmert sich Sozialarbeiterin Anita Marti um die Betroffenen, die sich noch bis Ende März melden können. Sie unterstützt die Betroffenen dabei, das Gesuch vollständig einzureichen. Dazu sind zum Teil Dokumente von Vormundschaftsbehörden oder aus dem Staatsarchiv nötig. Auch Kinderheime können helfen, die wichtigsten Anhaltspunkte zu finden.
Mit solchen Gesuchen können wir ein Zeichen setzen. Mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung können wir aufzeigen, dass es eine schlimme Zeit war.
Bisher haben sich rund 400 betroffene Frauen und Männer bei der Opferhilfe gemeldet. Der Bund geht davon aus, dass rund 6'000 Personen ein Gesuch für einen Solidaritätsbeitrag stellen werden.