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Ein Arbeiter in einem Industriebetrieb.
Legende: Die Ostschweiz ist wegen ihrer vielen Industriebetriebe und der Grenzlage besonders stark vom teuren Franken betroffen. Keystone

Ostschweiz St. Gallen rechnet mit konjunktureller Abkühlung

Der Kanton St.Gallen ist als Grenzkanton besonders betroffen von der Aufgabe der Mindestkurspolitik der SNB. Technologiedichte und Exportorientierung sind hier überdurchschnittlich hoch. Auch die St.Galler Tourismusindustrie und der Detailhandel sind vom SNB-Entscheid betroffen.

Der SNB-Entscheid hat auch die St.Galler Regierung und das Kantonsparlament in seiner letzten Session beschäftigt. Ausdruck dafür sind sechs politische Vorstösse mit insgesamt 40 Fragen zum Thema Frankenstärke und ihre Auswirkungen auf die St.Galler Wirtschaft. Die Regierung legt ihre Antworten dem Kantonsparlament vor.

Gedämpfte Erwartungen

Die Aufgabe des Mindestkurses zum Euro bedeutete eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Im Jahr 2014 haben die Exporte aus dem Kanton St.Gallen gegenüber dem Vorjahr um 3,3 Prozent zugenommen. Deutschland bleibt mit rund 30 Prozent der wichtigste Kunde. Dorthin stagnierten die Exporte, während sie nach Österreich, Frankreich und Italien zulegen konnten. Mit einem Plus von rund 160 Mio. Franken (+ 11 Prozent) erzielten die USA als zweitbester Kunde des Kantons St.Gallen, den höchsten Zuwachs.

Margen stehen unter Druck

Im St.Galler Rheintal ist der Aussenhandel - auch im Vergleich zu anderen Regionen - ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Der Wert der Exporte ist dort fast zweieinhalbmal so gross wie in der Region Wil, welche im Jahr 2014 an zweiter Stelle stand. Zudem exportieren St.Galler Unternehmen zu einem grossen Teil Güter aus der Metall-, Elektro- und Maschinenindustrie, welche eine hohe Preiselastizität aufweisen. Auch die Geschäfte im Detailhandel waren vor dem 15. Januar 2015 von Stabilität gekennzeichnet. Etwas Sorgen bereitete der Branche die abnehmende Kundenfrequenz, aber die Erwartungen zeichneten sich durch Konstanz aus. Nach dem SNB-Entscheid sind diese Erwartungen durchwegs gedämpft. Einerseits wirken sich konjunkturelle Unsicherheiten auf die Konsumentenstimmung aus. Andererseits befürchtet der Detailhandel, dass der Einkaufstourismus noch zunehmen und anhalten wird. Dadurch geraten die Margen noch stärker unter Druck.

Der SNB-Entscheid ist auch für den Ostschweizer Tourismus von Bedeutung, obwohl er zum grossen Teil von Schweizer Gästen lebt; allerdings mit beträchtlichen regionalen Unterschieden. In der Region St.Gallen-Bodensee liegt der Anteil der Schweizer Gäste bei rund 50 Prozent, im Toggenburg bei knapp 80 Prozent.

Vorteile dank billigeren Importen

Auf der anderen Seite sind etliche Waren und Dienstleistungen aus dem Euro-Raum für Schweizer Unternehmen nach dem SNB-Entscheid rund 20 Prozent billiger geworden. Bei den Importen ist die Bedeutung des Euro-Raumes in den letzten zehn Jahren abnehmend; aber auf sehr hohem Niveau (von 84 Prozent auf 72 Prozent). Dieser hohe Importanteil wirkt sich kurzfristig günstig auf die Konkurrenzfähigkeit der St.Galler Wirtschaft aus. Mittelfristig wird sich zeigen, ob viele Produzenten auf günstigere ausländische Zulieferer umsteigen werden. Dies könnte sich dann allerdings mit einiger Verzögerung auf die Beschäftigung bei den einheimischen Zuliefererbetrieben negativ auswirken.

Mehr Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit erwartet

Ende März 2015 waren im Kanton St.Gallen 11'080 Stellensuchende bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) gemeldet. Davon waren 6'482 Personen arbeitslos, also sofort für eine Stelle verfügbar. Die Stellensuchendenquote verbleibt bei 4,1 Prozent, die Arbeitslosenquote sank auf 2,4 Prozent. Trotz diesem saisonal bedingten Rückgang der Arbeitslosenzahlen rechnet die St. Galler Regierung auf mittlere Sicht mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Ungewiss ist das Ausmass der Zunahme.

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