Um die politische Seele des Kantons Appenzell Innerrhoden zu verstehen, muss man in die Geschichte zurückblicken. Im 19. Jahrhundert gewannen die Konservativen die Auseinandersetzungen mit den Liberalen, ein Grund, weshalb die FDP im Kanton nie Fuss fassen konnte (in Erinnerung geblieben ist einzig Karl Justin Sonderegger (1842-1906), Redaktor der freisinnig orientierten Innerrhoder Zeitung der «Freie Appenzeller» und von 1875 bis 1877 Ständerat).
Parteien erst seit 1969, dominant sind Verbände
Die erste politische Partei wurde 1969 gegründet – die «Gruppe für Innerrhoden» (GFI), die sich vor allem für das Frauenstimmrecht einsetzte. 1988 folgte die CVP, die aus einem «Honoratioren-Club» entstand, 1996 die SVP, 2012 die SP, eine Abspaltung der «Gruppe für Innerrhoden».
Dominant sind im Kanton die Verbände: Gewerbeverband, Bauernverband, Arbeitnehmer-Vereinigung, Handels- und Industriekammer sowie das Frauenforum. Die Wahl- und Abstimmungsempfehlungen der Verbände werden meistens befolgt, erklärt alt-Ratsschreiber Franz Breitenmoser im Gespräch mit dem «Regionaljournal Ostschweiz» von Radio SRF1. Ein Beispiel dafür ist die Wahl des neuen Landwirtschaftsdirektors Stefan Müller, der vom Bauernverband empfohlen wurde und sich klar gegen Ruedi Eberle durchsetzte, dem Kandidaten von SVP und Gewerbeverband.
36 Jahre Ratsschreiber
Politikexperte Franz Breitenmoser diente von 1972 bis 2008 unter sieben Landammännern – unter anderem unter Raymond Broger, Carlo Schmid und seinem Vater Franz Breitenmoser sen. Der Jurist war bei massgebenden Entscheidungen dabei, zum Beispiel bei der Einführung des Frauenstimmrechts 1991 oder bei der Einführung der Gewaltentrennung 1995. Breitenmoser – Mitgründer der «Gruppe für Innerrhoden» – lebt heute in der Stadt St. Gallen.