Die Bauwirtschaft steht ganz oben auf der Liste der Kandidaten, die in Zukunft durch Roboter verändert werden: Künstliche Arbeiter werden Teile für Gebäude in Fabriken vorfertigen, so dass der eigentliche Hausbau schneller und günstiger abläuft. Sie werden aber auch direkt auf der Baustelle zum Einsatz kommen. Den Prototypen eines Bauwerkes, das durch einen Roboter vor Ort erstellt wurde, kann man zurzeit in Winterthur zwischen Stadtkirche und Gewerbemuseum besichtigen.
Pavillon aus Paketschnur und Schotter
Der «In situ Fabricator» von Gramazio Kohler Research, einer Architektur-Forschungsgruppe der ETH, hat in den letzten Wochen einen Pavillon aufgebaut, der stark an Stonehenge erinnert: 11 Säulen tragen eine 9 Tonnen schwere Platte, die das Dach bildet. Das Besondere: Die Säulen bestehen aus insgesamt 30 Tonnen kleinen Schottersteinen, die von 120 Kilometer normaler Paketschnur zusammengehalten werden.
Weil sich die Steine durch den Druck von oben ineinander verhaken und gleichzeitig von der Schnur optimal zusammengehalten werden, sei die Konstruktion sehr stabil, erklärt die Architektin Gergana Rusenova. Sie hat das Projekt im Rahmen ihrer Dissertation zusammen mit ihrem Kollegen Petrus Aejmelaeus-Lindström geleitet.
Dass für den Bau des Pavillons nur ein Roboter in Frage kommt, steht für Gergana Rusenova ausser Frage. Denn die Art, wie die Schnur zu einem Netz verwoben wird, sei in der notwendigen Präzision für einen Menschen kaum zu bewältigen: Die Schnur muss nach ganz bestimmten Regeln Schicht für Schicht in Schlaufen gelegt werden, mit Steinen gefüllt und diese dann durch Stampfen verdichtet werden, bis die Höhe von drei Metern erreicht ist. Dann trägt sich die Säule selber. Es sind komplexe Geometrien, die die Architektin dem Roboter mit einem digitalen Bauplan beigebracht hat.
Der Roboter selber ist keine Spezialkonstruktion, sondern ein 0815-Industrieroboter, den man ab der Stange kaufen kann. Einziger Unterschied zu seinen Kollegen in den Fabriken: Er steht auf einer Plattform mit zwei Raupen und kann sich deshalb selber fortbewegen.
Ist das die Zukunft?
So faszinierend der «Rock Print Pavilion» ist – um in dem kuriosen Objekt ein Haus zu entdecken, braucht es schon sehr viel Fantasie. Wie aber werden denn in Zukunft echte Gebäude aussehen, die von Robotern gebaut wurden?
Gergana Rusenova meint, dass alle möglichen Formen denkbar sind. Wenn man mit Robotern baue, werde man dies den Häusern aber auch ansehen, weil der Einsatz von Robotern nur bei bestimmten Bauformen sinnvoll ist.
Zum Beispiel das «DFAB House» in Dübendorf: Derselbe Roboter hat es gebaut, einfach mit anderen Werkzeugen ausgerüstet, so dass er geschwungene Betonwände direkt auf der Baustelle konstruieren konnte. Dieses Gebäude sieht schon wesentlich mehr nach einem bewohnbaren Haus aus als die Winterthurer Stonehenge-Installation. Roboter sind also bereits auf Baustellen angekommen.
Damit sie in Zukunft ihr Potenzial ganz entfalten können, müsse die Branche zuvor noch einiges an Hausaufgaben erledigen, meint Gergana Rusenova: «Wenn man den Roboter autonom arbeiten lassen will, muss man vermehrt interdisziplinär arbeiten». Das geht nur, wenn alle Prozesse digital abgebildet werden. Das Stichwort dazu heisst Building Information Modelling (BIM).
Eleganter Rückbau
Dazu gehört auch, dass schon bei der Planung daran gedacht wird, dass ein Gebäude irgendwann wieder abgerissen werden muss.
So ist auch beim Projekt in Winterthur die Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit ein wichtiges Thema. Der Pavillon ist komplett reversibel, weil eine Schnur durch die ganze Säule hindurchgeht. So wird der Rückbau zum Kinderspiel.
Am 5. November wird Gergana Rusenova ihr «Gebäude» abreissen: Zuerst wird ein Kran die Metallplatte abheben, dann wird sie bei jeder Säule am Ende der Schnur ziehen. Jeder der mit Schotter gefüllten Zylinder wird dann in sich zusammenfallen. Eine Baufirma braucht bloss noch die Steine einzusammeln und an den nächsten Einsatzort zu fahren, wo sie ein Roboter beispielsweise zu einem neuen Pavillon zusammenbauen könnte.