Der ungebetene Gast: «Stinkkäfer» werden die kleinen Krabbler aus China bei uns auch genannt. Im Fachbegriff ist es die marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys), die wie andere Wanzenarten bei Berührung ein übelriechendes Sekret absondert. Vor rund 20 Jahren kamen sie via Flughafen Zürich in die Schweiz und haben sich seither vor allem in den Städten massiv vermehrt.
Gerne an die Wärme: Den einheimischen Wanzenarten sehen sie sehr ähnlich. Im Gegensatz zu diesen krabbeln sie aber ab September bei sinkenden Temperaturen gerne in Häuser, manchmal in grosser Zahl. Sie verkriechen sich etwa hinter Büchern im Regal. Im nächsten Frühjahr sitzen sie dann plötzlich am Fenster und wollen zurück in den Garten.
Schäden bis zum Totalausfall: Die marmorierte Baumwanze aus China richtet viel mehr Schaden an als bisher erwartet, wie Insektenkundler Tim Haye vom international tätigen Forschungsinstitut CABI in Delsberg berichtet: So zerstörten sie 2010 im Osten der USA die halbe Apfelernte. In Georgien machten sie einen Drittel der Haselnussernte zunichte, und im Tessin und in Norditalien beschädigten sie 2016 zwischen 40 und 60 Prozent der Birnen, wobei viele Bio-Bauern gar einen Totalausfall zu beklagen hatten.
-
Bild 1 von 14. Die marmorierte Baumwanze mit ihrem Saugrüssel. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 2 von 14. Kirschen mögen die Baumwanzen sehr gerne. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 3 von 14. Im Winter verkriechen sich die Wanzen gerne im Haus. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 4 von 14. Das angestochene Obst verkrüppelt. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 5 von 14. Je wärmer das Klima, umso mehr Wanzen gibts. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 6 von 14. Besonderes Kennzeichen: Schwarz-weiss gebändertes Hinterteil. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 7 von 14. Deformationen, dort wo die Birnen angesaugt wurden. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 8 von 14. Verhärtet und für den Verkauf nicht mehr geeignet. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 9 von 14. Ungeniessbar nach Wanzenattacken. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 10 von 14. Auch Pfirsiche sind bei den Wanzen beliebt. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 11 von 14. Genau 28 Eier legt die marmorierte Baumwanze. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 12 von 14. Die jungen Wanzen nach dem Schlüpfen. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 13 von 14. Erst sind sie rot, dann schwarzbraun. Bildquelle: Tim Haye.
-
Bild 14 von 14. Und es werden immer mehr. Bildquelle: Tim Haye.
Klare Anzeichen im Züribiet: Je wärmer die Sommer auch nördlich der Alpen werden, desto besser gefällt es den Wanzen nun auch in der Schweiz. «2017 sind die Schäden im Umland von Zürich erstmals aufgetreten. Das kannten wir bisher nicht», sagt Haye.
So greifen die Rüssler an: Die Wanzen stechen die reifenden Früchte an, injizieren über den Saugrüssel eine Flüssigkeit, mit der die Birne quasi verdaut wird, und saugen dann den Saft ab. Die Frucht verkrüppelt und taugt deformiert bestenfalls noch als Mostobst. Die Wanzen saugen am liebsten an Brombeeren, Himbeeren, Pfirsichen, Äpfeln oder Birnen. Eigentlich mögen sie fast alles: «Es ist fast einfacher aufzuzählen, was sie nicht mögen», stellt Haye fest.
Heimische Schlupfwespen als Lösung? Verschleppte Insektenarten sind beim CABI ein grosses Thema, das sich im Auftrag zahlreicher Regierungen und Unternehmen mit Landwirtschaft und Biowissenschaften beschäftigt. Im Quarantänebereich in Delsberg werden unter anderem frischgelegte Wanzeneier klitzekleinen einheimischen Schlupfwespen ausgesetzt. Das Ziel: Die Wespen sollen Eier hineinlegen, damit ihre Larven die Wanzenlarven von innen auffressen.
Ein Lichtblick: Fünf von sechs getesteten einheimischen Wespenarten konnten den chinesischen Wanzen aber nichts anhaben. Eine Art allerdings entwickle sich auf den frischen Wanzeneiern gut und werde jetzt vertieft untersucht, sagt Haye. Sie könnte dann künstlich vermehrt und im Frühling massenhaft ausgesetzt werden.
Erfolgreiche China-Wespe: Haye hat aus China Tausende von chinesischen Schlupfwespen mitgebracht. Sie sind sehr effektiv und sorgen dafür, dass die Wanze in Asien eigentlich kein Problem ist. Um sie in Europa einsetzen zu können, müsste nach seinen Worten zuerst eine Risikoanalyse gemacht werden. Denn die chinesischen Schlupfwespen könnten auch einheimische Nützlinge und gefährdete einheimische Insektenarten arg dezimieren.