Dampfen in jeder freien Minute, wenn niemand es kontrolliert. Teenager tun Dinge, die verboten sind, besonders gern. «Juulen» gehört in den USA dazu.
Scheinbar harmlos
Der Bieler Gymnasiast Levi Luder machte Erfahrung mit Juul als Austauschschüler in Scarsdale, einem Vorort von New York.
«Ich hatte das Gefühl, dass die Leute damit angefangen haben, weil es cool war. Zigaretten waren nicht so verbreitet unter den jungen Leuten. Und dann ist Juul gekommen», erklärt der heute 18-Jährige. «Ich habe mir gesagt, das ist ja keine Zigarette. Die Leute wussten nicht, wie schädlich es ist und wie viel Nikotin darin ist.»
Die vielen, fruchtigen Geschmacksrichtungen und das lässige Design der Juul-Sticks kamen gut an. Ausserdem hatten die Lehrer anfänglich keine Ahnung. Sie glaubten, die Schüler spielten mit USB-Sticks und nicht mit Dampfgeräten.
Feueralarm im Schulhaus
Beliebter Ort zum Dampfen oder «Juulen», wie die Kids sagten, waren die Toiletten. «Es war lustig. Alle drei Wochen ist übertrieben worden mit Dampfen, und dann musste die ganze Schule evakuiert werden, weil der Feueralarm losging. Das war eine riesige Sache. Alle mussten aus der Schule raus.»
Später, so berichtet Levi Luder, war auch den Lehrern klar, was los ist, und die «Security» kontrollierte die Toiletten.
Plötzlich süchtig
Juul war auch so sehr beliebt unter den Schülern, weil der «Head rush», also der Nikotin-Kick, so gut war. Andere E-Zigaretten hatten bei Weitem nicht einen so starken Effekt.
Doch was lustig anfing, wurde rasch zu einem Problem. Das merkten auch die Kids. Jack Waxman, ein Mitschüler von Levi Luder, entschloss sich, ein Video mit «Juul-Süchtigen» zu drehen.
Juulers gegen Juul
«Die jungen Leute sagten: Ich bin süchtig, ich komme nicht mehr weg», berichtet Levi Luder, und dann haben sie gemerkt, «alle ihre Kollegen haben dasselbe Problem.» Also haben sie die Aussagen von vier Teenagern, zwei Jungs und zwei Mädchen, aufgenommen.
«Es ist Teil meines Lebens. Es ist schlecht und doch kann ich nicht anders», gibt die 14-jährige Margarida offen zu. «Wenn ich abends meine Hausaufgaben mache, dann will ich diesen ‹Juulkick›. Dann habe ich in der einen Hand meinen Stift und in der anderen mein ‹Juul›», erklärt Sylvia. Und Salomon meint schlicht: «Kids brauchen das Zeugs.»
Eine Epidemie
Juul hat in den USA in nur 3 Jahren 70 Prozent des Marktes für E-Zigaretten erobert. Daten der US-Gesundheitsbehörde FDA zeigen, wie beliebt E-Zigaretten bei Jugendlichen sind. Der Konsum ist stark angestiegen:
- 2017 haben in den USA noch 3.4 Prozent aller Schüler zwischen 11 und 14 Jahren E-Zigaretten gedampft. 2018 waren es 4.9 Prozent. Eine Zunahme von 48 Prozent.
- Bei den Älteren ist die E-Zigarette weiter verbreitet. Unter den 14- bis 18-Jährigen waren es 2017 11.7 Prozent und 2018 bereits 20.8 Prozent. Hier betrug der Anstieg 78 Prozent.
Laut Levi Luder aus Biel ist es eine Epidemie, die er da in den USA miterlebt hat. Den gleichen Begriff nutzt die US-Gesundheitsbehörde FDA. Ihr Direktor Scott Gottlieb teilte im September 2018 mit: «Wir haben es nicht kommen sehen, und jetzt ist es in meinen Augen eine Epidemie der E-Zigarette unter Teenagern.» Er erklärte, er lasse es nicht zu, dass eine ganze Generation von Kindern durch E-Zigaretten nikotinsüchtig werde.
Levi Luder warnt, in der Schweiz dürfe sich das nicht wiederholen. Denn hier sind die Juul-E-Zigaretten seit Dezember 2018 erhältlich.
Der Mann hinter Juul beschwichtigt, als ihn das Wirtschaftsmagazin «ECO» konfrontiert. James Monsees weist im Interview von sich, dass sein Unternehmen auf junge Konsumenten zielen würde. Er will Juul als etwas ganz anderes verstanden wissen: als ein Produkt, das Raucher von ihrer Sucht befreit.
Juul ist sehr attraktiv für Schüler. Wie gehen Sie damit um?
Das ist sehr ungünstig für uns und macht uns Schwierigkeiten. Ich möchte sehr klar sein: Kein minderjähriger Konsument sollte jemals nach diesem Produkt greifen. Wir arbeiten in verschiedenen Ländern mit den Gesundheitsbehörden zusammen. Dennoch konsumieren Minderjährige auch illegal. Das war bei Produkten, die nur für Erwachsene sind, schon immer so.
Wir als Innovatoren müssen die Messlatte höher legen. Wir können uns nicht einfach auf die Verkäufer im Einzelhandel verlassen. In den USA etwa haben wir mehrere Geschmacksrichtungen aus den Regalen genommen und haben auf unterschiedlichste Art in Prävention investiert.
Diese Geschmacksrichtungen haben Sie in den USA aus den Regalen genommen. Aber hier in der Schweiz bieten Sie sie wieder an. Weshalb setzen Sie hier nicht dieselben Standards?
Es kann sein, dass wir auch hier Geschmacksrichtungen aus den Regalen nehmen. Sie haben Recht, im Moment sind alle Produkte verfügbar. Wir müssen darauf Rücksicht nehmen, dass jedes Land anders ist.
Im Moment sind wir hier nicht so besorgt, was den Missbrauch von Seiten der Jugendlichen angeht. Sollte sich das ändern, werden wir aber auch hier Massnahmen ergreifen.
Was wichtig ist: Die Geschmacksrichtungen spielen für erwachsene Konsumenten eine grosse Rolle, wenn es darum geht, mit dem Rauchen aufzuhören. Der Erfolg hat meistens mit diesen Flavors zu tun. Wir wollen also, dass sie verfügbar sind für Erwachsene.
Aber wir dulden nicht, dass Minderjährige diese Produkte nutzen, und wir werden daran arbeiten, in dieser Industrie neue Standards zu setzen.
Ich habe das Gefühl, dass Sie an die Grenzen gehen. Anfangs hatten Sie junge Werbeträger, Anfang zwanzig. Als sich die US-Gesundheitsbehörde meldete, waren sie 35. Jetzt in Europa sind sie wieder 28. Sie arbeiten also weiterhin an einem jungen Image.
Nein, absolut nicht. Es gibt absolut keinen Grund, weshalb wir Minderjährige als Konsumenten wollen sollten. Es ist ein Problem für uns, für das Gesundheitssystem und ehrlich gesagt auch für erwachsene Raucher, die aufhören wollen.
In diesem riesigen Markt, in dem wir tätig sind, gibt es für uns keinen Grund, an die Grenzen zu gehen. Und es gibt keinen Grund, etwas anderes als alles in der Welt stehende zu tun, um Minderjährige vom Gebrauch dieses Produkts abzuhalten.