Seit 10 Jahren will das Projekt Buchstart den Kindern und Jugendlichen den Einstieg in die Welt der Bücher erleichtern. Christine Lötscher ist Kinder- und Jugendbuch-Kritikerin und Forscherin an der Universität Zürich. Im Interview gibt sie Eltern Ratschläge zum Umgang mit den jüngsten Lesern.
SRF News: Christine Lötscher, wie bringe ich mein Kind zum Lesen?
Christine Lötscher: Indem Sie es vorleben. Die Vorbildfunktion ist sehr wichtig. Wenn Bücher im Leben einer Familie eine Rolle spielen, ist das für Kinder die wichtigste Inspiration. So bekommen sie automatisch mit, dass lesen etwas Genussvolles sein kann. Selbstverständlich haben es Kinder aus bildungsnahen Familien deshalb einfacher. Man kann den Kindern nicht befehlen: Lest! – und sich dann als Vater an die Playstation setzen. Das klappt nicht.
Ich soll mein Kind also nicht zum Lesen zwingen?
Auf keinen Fall. Eltern sollten keinen Druck aufbauen. Auch Hinweise, dass lesen wichtig für die Berufskarriere sei, sind kontraproduktiv. Viel wichtiger ist, dass Kinder und Jugendliche merken, dass lesen ein Abenteuer sein kann. Eine Bewusstseinserweiterung ohne Risiken und Nebenwirkungen. Ein Kino im Kopf, gezündet durch Buchstaben und Wörter. Wunderbar!
Dabei kann auch das abendliche Vorlesen helfen.
Auf jeden Fall. Das belegen zahlreiche Studien. Letztlich geht es darum, dass die Kinder lernen, wie eine Geschichte aufgebaut ist. Was ist der Plot? Wie entwickelt sich ein Spannungsbogen? Wer ist der Held? All das können Kinder auch lernen, wenn ihnen die Eltern etwas vorlesen.
Wie finde ich heraus, welche Lektüre meinem Kind gefallen könnte?
Ich rate Eltern: Geht mit Euren Kindern in die Buchhandlung – oder in eine Bibliothek. Verbringt dort Zeit mit ihnen. Entdeckt die Welt der Kinder und Jugendbücher zusammen. Blättern Sie sich durch Bücher, diskutieren Sie mit Ihrem Kind darüber. Und dann ist es zwingend nötig, dass die Eltern auch mal ein Kinderbuch lesen, und beurteilen. Wie ist der Lesefluss, der Satzbau? Ist die Geschichte stimmig? Solche Qualitätskriterien sind auch für Kinder wichtig.
Machen Sie sich Sorgen um unsere Jugend?
Nein. Klar leben wir in einer audiovisuellen Welt. Aber wer Filme schaut, entdeckt auch Bücher. Es ist durchaus möglich, dass sich Jugendliche erstmal einen Harry-Potter-Film anschauen, und dann auf die Romane aufmerksam werden. Schon seit Jahrhunderten zirkulieren immer wieder Ängste, dass die Menschen zu wenig – oder auch zu viel lesen. Bisher haben sich die Untergangsszenarien nie bewahrheitet.
Das Interview führte Reto Kohler