Zum zweiten Mal organisiert die Hochschule Luzern zusammen mit der Crypto Valley Asscociation in diesen Tagen eine internationale Konferenz zu Blockchain-Technologien und Kryptowährungen in Zug.
Libra: Der erste Eindruck
Mit dabei ist auch Lili Zhao, Direktorin des Blockchain-Projektes Neo. Die Chinesin ist von Libra alles andere als überrascht: In China kann man mit der App WeChat schon lange nicht nur Texte und Bilder, sondern auch Geld überweisen. Die App ist so erfolgreich, dass sie aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist, da kaum jemand noch Bargeld akzeptiert.
WeChat dürfte eine wichtige «Inspirationsquelle» für Libra sein. Nachdem sich China jahrelang den Vorwurf des Nachahmers gefallen lassen musste, habe der Wind nun also gedreht, so Lili Zhao: «Heute kopiert das Silicon Valley die Geschäftsideen aus China.»
Grosse Bedenken beim Datenschutz
Christian Cachin, Professor für Kryptographie und Datensicherheit an der Uni Bern, findet Libra technisch gut gemacht: «Facebook hat Forscher angestellt, die wissen, was sie machen.» Allerdings habe Facebook etwa fünf Jahre Rückstand auf das Blockchain-Projekt Hyperledger, an dem der Forscher mitgearbeitet hat. Facebook sucht zurzeit weltweit agressiv nach Spezialisten, die sich mit der Blockchain auskennen.
Grosse Bedenken hat Christian Cachin, wenn es um den Datenschutz geht – und er ist nicht der einzige: «Mit den zusätzlichen Daten aus Geldüberweisungen haben sie den gläsernen Kunden», meint Alexander Denzler, Professor für Informatik an der Hochschule Luzern.
So weiss das soziale Netzwerk in Zukunft, wann jemand ein bestimmtes Produkt tatsächlich gekauft hat und zeigt die Werbung dafür nicht mehr an. Auch Angaben zum Kaufverhalten oder zum Budget sind wertvoll für Werbetreibende.
Libra: Ein Lichtblick
Der Blockchain-Berater Urs Bolt sieht das grosse Potenzial für Libra nicht primär bei uns, sondern in Ländern, wo WhatsApp ein zentrale Rolle spielt, in Brasilien und den Philipinen etwa. «Banken schliessen kleine Händler von Innertageskrediten aus», so Urs Bolt. Menschen, die bis anhin kein Bankkonto eröffnen konnten, bekommen nun eine Chance: Ein Gemüsehändler könnte am Morgen bei Libra einen Kredit aufnehmen, auf dem Markt Gemüse kaufen und am Abend den Kredit wieder zurückzahlen.
Boom für Kryptowährungen
Praktisch alle Befragten sind sich in einem Punkt einig: Die Facebook-Währung ist keine Gefahr für die bestehenden Kryptowährungen. «Libra ist hauptsächlich eine Konkurrenz für die Banken», sagt Lucas Betschart, Präsident der Bitcoin Association Switzerland. Banken hätten nun die Wahl, ob sie sich Facebook oder lieber einem offenen Netzwerk und einer echten Blockchain anschliessen wollen wie etwa dem Bitcoin.
Dass hinter Libra keine echte Blockchain steckt, steht für viele ausser Fage: Mächtige Konzerne behalten die Kontrolle, sie könnten beliebig Konten sperren oder Transaktionen verhindern. Bei einer offenen Blockchain wäre das unmöglich.
Vorerst spiele das aber keine Rolle, hört man immer wieder – Hauptsache sei, dass möglichst viele Menschen mit einer Kryptowährung in Kontakt kommen und erste Erfahrungen sammeln. Der Umstieg auf eine echte, offene Blockchain sei dann bloss noch eine Frage der Zeit. Doch wann die tatsächlich einsatzbereit ist, steht in den Sternen: Zu gross sind zurzeit noch die technischen Hürden.
Ob und wann sich Libra durchsetzen wird, weiss niemand. Viel hängt davon ab, mit welchen regulatorischen Massnahmen die einzelnen Staaten auf die neue Herausforderung reagieren.