Falls die EU die Zeitumstellung abschafft, zieht die Schweiz nach – sie müsste wohl, sagt Jürg Niederhauser vom Eidgenössischen Institut für Metrologie: «Die Schweiz muss sich danach ausrichten, was für eine Zeit die umgebenden Staaten haben. Man hat die Sommerzeit nur eingeführt, damit man die gleiche Zeitregelung hat wie die umgebenden Staaten.»
Das war Anfangs der 1980er-Jahre: Die Lage war unpraktisch geworden: Die Nachbarländer hatten auf Sommerzeit gewechselt und die Uhren umgestellt. In der Schweiz hingegen tickten die Uhren anders, wie Justizministerin Simonetta Sommaruga bei einer Sommerzeit-Debatte im Nationalrat sagte: «Im Jahr 1980 war die Schweiz zu einer Zeitinsel geworden. Das bescherte der Schweizer Wirtschaft erhebliche Nachteile: Die Transportunternehmen mussten zum Beispiel einen zweiten Fahrplanwechsel vornehmen, und es gab Abstimmungsprobleme mit den Fahrplänen von Transportunternehmen der Nachbarländer.»
Endlich mal eine gute Nachricht aus Brüssel!
Bloss nicht wieder zur Zeitinsel werden: Nach diesem Motto dürfte der Bundesrat auch heute für eine Anpassung ans Ausland werben. Das freut eine Nationalrätin besonders: Yvette Estermann von der SVP. Sie kämpft zwar seit Jahren gegen eine Annäherung an die EU, aber eben genauso gegen die Zeitumstellung. Heute sagt sie daher: «Endlich mal eine gute Nachricht aus Brüssel! Und eine gute Nachricht für all die Menschen, die die Sommerzeitumstellung nicht gern mitgemacht haben. Dass die Lösung aus der EU kommt – jä nu, da muss ich beide Augen zumachen», sagt die Nationalrätin lachend.
Die ewige Sommerzeit
Wobei, nur zum Lachen ist Estermann nicht zumute. Sie fordert eigentlich die Abschaffung der Sommerzeit. Die EU-Spitze hingegen will das Gegenteil: die ewige Sommerzeit. Das Wichtigste sei zwar schon, dass die Umstellung wegfalle, so Estermann. Doch viele Menschen litten unter Schlafmangel in der Sommerzeit, wenns am Abend lang hell sei.
Mensch und Tier wären froh, wenn die Umstellung wegfallen würde.
Ganz ähnlich argumentierten die Bauern schon vor 40 Jahren: Morgens länger dunkel, abends eine Stunde später Feierabend nach harten Arbeitstagen – das machte den Landwirten zu schaffen. Heute klingt das anders. So sagt Bauernverbandspräsident Markus Ritter: «Diese Argumentation ist weggefallen, wir sind heute schlagkräftig. Es ist doch schön, wenn es am Abend eine Stunde länger hell ist. Man ist so in der Lage, die Erntezeit auch zu nutzen. Heute ist das Hauptargument die Umstellung. Da sind Mensch und Tier froh, wenn das wegfallen würde.»
Zeitumstellung – ein Hin und Her
Hauptsache also, keine Umstellung mehr. Falls die Schweiz wie die EU eine ewige Sommerzeit einführt, braucht es eine Gesetzesänderung. Das heisst: Den Entscheid fällt das Parlament – oder das Stimmvolk, falls wieder jemand das Referendum ergreift wie Ende der 70er-Jahre: Damals sammelten Bauern Unterschriften gegen die Sommerzeit – und gewannen die Abstimmung prompt. Nur drei Jahre später führte die Schweiz die Sommerzeit trotzdem ein. Danach scheiterte eine neue Initiative gegen die Sommerzeit schon im Sammelstadium. Die Angst, zur Zeitinsel zu werden – sie trieb schon damals viele um.