Bertrand Piccard und André Borschberg strahlen, als sie nach rund 30 Flugminuten das Cockpit wieder öffnen: «Absolut genial, das ist endlich die moderne Aviatik – kein Lärm, keine Verschmutzung, nur ökologisch», stellt Flugpionier Piccard fest.
Eine ökologische Alternative zum Fliegen mit fossilen Brennstoffen stand bereits beim letzten Projekt von Piccard und Borschberg im Zentrum, als sie mit der Solar Impulse 2 die erste Weltumrundung im Solarflugzeug schafften.
Die Batterie-Technologien von Solar Impulse 2 sollen nun alltagstauglich werden. «Wir wollen jetzt praktisch beweisen, dass alle Leute diese Technologien benützen können», unterstreicht Piccard.
Wir wollen jetzt praktisch beweisen, dass alle Leute diese Technologien benützen können.
Ein erster Schritt dazu ist das Elektroflugzeug «Bristell Energic» mit neun Metern Flügelspannweite, mit welchem Piccard und Borschberg am Montag vom Flugplatz Sitten abhoben. Entwickelt hat das Antriebs- und Batteriesystem die Firma H55 von André Borschberg.
Nicht die Ersten ohne Verbrennungsmotor
Verglichen mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor gleitet das Flugzeug mit Elektromotor viel leiser durch die Lüfte. Eine Stunde kann es fliegen, dann braucht es eine Stunde, bis die Akkus wieder aufgeladen sind.
Die Maschine soll vor allem in der Pilotenausbildung zum Einsatz kommen, um auf kurzen Flügen das Starten, Manövrieren und Landen üben können. Einige Flugschulen setzen bereits E-Flugzeuge ein, seit das Modell Velis Electro des slowenischen Herstellers Pipistrel vor einem Jahr die weltweit erste Zulassung erhalten hatte.
Die Zulassung wird für das Team um Borschberg die nächste Herausforderung sein. In der Luftfahrt sei dies eine grosse Hürde, sagt Leonardo Manfriani, Professor am Institut für Aviatik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften: «Selbst eine kleine Innovation in der Luftfahrt muss behördliche Hürden gewärtigen, weil die Sicherheit so hoch gewichtet wird.» Für ein Flugzeug mit einem komplett neuen Antriebssystem sei die Hürde umso grösser.
Borschberg sieht der Herausforderung gelassen entgegen. Bei der Zulassung der zwei Solarflieger von Solar Impulse habe man bereits Erfahrungen mit den Behörden gesammelt.
Hauptproblem: Gewicht der Batterien
Damit der Elektroantrieb aber auch für etwas grössere Flugzeuge mit mehr Passagieren brauchbar wird, ist ein weiteres Problem zu lösen: Die Batterien sind noch viel zu schwer. Für die adäquate Energiemenge sind 25mal mehr Gewicht auf der Waage als bei Flugbenzin.
Für kleine Flugzeuge gehe das gerade noch, doch bei einem Geschäftsflugzeug funktioniere das mit der heutigen Technologie nicht mehr, sagt Aviatiker Manfriani. Auch für mehr Reichweite müsse sich die Technologie noch weiterentwickeln. Er hält aber entsprechende Fortschritte in der Batterieforschung in einigen Jahren für möglich.
Touristenflüge in Kanada als Ziel
Die Schweizer Firma H55 plant ihre ersten Passagierflugzeuge darum auf kurzen Strecken im Westen Kanadas – für kleine Pendler- und Touristenflüge zwischen Vancouver und den umliegenden Inseln. Bereits in zwei Jahren soll es so weit sein.
Das ist ambitioniert. Doch Solarflugpionier Picard glaubt an die riesige Innovationskraft der Flugbranche und erinnert daran, dass vom allerersten Flugzeug 1903 bis zur Mondlandung 1969 keine 70 Jahre vergangen seien. Ähnliche Quantensprünge bräuchte die Luftfahrt heute, um grüner zu werden.