Nach den Festtagen zieht es viele ins Fitnesscenter. Dort verpuffen an Hometrainern oder Steppern landauf, landab tausende von Kilowattstunden an Energie. Energie, die man besser nutzen könnte, findet ein Ingenieur aus Bern.
Unter dem Namen «Gmües-Esel» hat er in der Nähe des Berner Hauptbahnhofs ein kleines Fitnesszimmer eingerichtet. Hier können maximal vier Personen aufs Mal an umgebauten Fitnessgeräten aus dem Brockenhaus Mais zu Polenta mahlen oder Raps zu Öl pressen. Mit Hilfe von Riemen und Veloketten hat Ingenieur Thomas Wieland die vier alten Fitnessgeräte mit einer Ölpresse oder einer Getreidemühle verbunden. Nun können Fitnesswillige ihre Energie verbrennen und gleichzeitig etwas Sinnvolles tun.
Strampeln ist gratis
Anmelden kann sich jedermann – über einen Online-Kalender. Fitten ist gratis. Und wer will, kann am Schluss rund ein Viertel des Produzierten mit nach Hause nehmen.
Eine Frau am Crosstrainer ist heute zum ersten Mal da und findets toll: «Im normalen Fitnesscenter halte ich es nur eine Viertelstunde auf einem Crosstrainer aus. Und hier, wo man sieht, was man leistet, habe ich tatsächlich eine Stunde geschafft. Es ist motivierend!»
300 Liter Öl pro Jahr
Das unkonventionelle Fitness-Studio ist in den Wintermonaten jeweils an zwei Abenden pro Woche offen. Pro Saison werden rund eine Tonne Raps zu 300 Liter Öl gepresst, und rund eine Tonne Getreide gemahlen – mit reiner Muskelkraft. Energie, die in konventionellen Fitnesszentren ungenutzt verpufft.
Doch Thomas Wieland geht es nicht nur darum. Der Initiant möchte mit seinem Projekt auch zum Denken anregen. Er möchte zurück zu mehr Einfachheit bei den Grundnahrungsmitteln: Mehr selber anbauen, wieder mehr Wissen über die Verarbeitung der Rohstoffe aneignen, statt anonymer, internationaler Lebensmittelkonzerne.
Den Sporttreibenden gefällt die Idee. Das Rattern der Mühle, das Mehl in den Ritzen, das Tröpfeln des Rapsöls ins Plastikgeschirr – ein krasser Gegensatz zur sterilen Plastikpalmen-Atmosphäre vieler Fitnesszentren. Pressen und mahlen können Wielands Maschinen Raps, Baumnüsse, Leinsamen, Sonnenblumenkerne, Mais und Hartweizen.
Schweiss und Lebensmittelproduktion – geht das?
Solange der Betrieb so klein ist, sieht Wieland keine Probleme bezüglich Hygiene. Der Lebensmittelinspektor hat aber angeregt, den Teppich zu entfernen. Zudem gibt es Trennwände aus Plexiglas. So bleibt der Schweiss auf der Seite der Sportler- und Sportlerinnen.
Weitere Informationen:
Viel Geld verdienen kann und will Thomas Wieland mit seiner «Fitnessmühle» nicht. Als Ingenieur verdiente er früher bei einer grossen Firma gutes Geld, doch ihm fehlte der Sinn dahinter. Heute produzieren er und seine Familie auf dem Stück Land des Bauern, bei dem sie wohnen, selber Lebensmittel. Sie fahren die Rohstoffe mit dem Velo ins Fitness-Studio und verkaufen die verarbeiteten Produkte in Bioläden oder am Markt. Es sind kleine Brötchen, die Thomas Wieland bäckt. Doch die «Kundinnen» und «Kunden» hoffen, dass er und sein unkonventionelles Studio noch lange weitermachen.