In China sollen die ersten genmanipulierten Babys geboren worden sein – falls die Meldung denn stimmt. In einem Youtube-Video berichtet ein Forscher über die Geburt der Zwillinge Lulu und Nana, die gegen HI-Viren resistent sein sollen. Möglich machts das junge Crispr/Cas9-Verfahren. Es wäre der weltweit erste Eingriff in die menschliche Keimbahn. Welche Folgen der Eingriff hat, ist unbekannt. Für Ethiker Markus Zimmermann wurde die rote Linie massiv überschritten.
SRF News: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie das Video sahen?
Markus Zimmermann: Ich dachte, das ist der reale Wahnsinn. Jemand möchte der Erste sein und jetzt hat er es geschafft. Es kommt ganz human, ganz empathisch, ganz sympathisch herüber, was der Mann zu sagen hat. Aber im Grunde genommen ist das ethisch unvertretbar und unglaublich, dass er das einfach gemacht hat und sich damit über weltweite Konventionen hinweggesetzt hat.
In der Schweiz und auch in anderen europäischen Ländern sind Genmanipulationen an menschlichen Embryonen verboten. Wird in China eine rote Linie überschritten?
Die rote Linie wird massiv überschritten. Es gibt ja auch Länder wie zum Beispiel England, in denen durchaus an menschlichen Embryonen geforscht und dieses Gene-Editing auch angewendet wird. Aber immer mit der klaren Zusage, dass die veränderten Embryonen anschliessend auch gleich wieder zerstört werden.
Kein Mensch weiss, was mit diesen Menschen geschehen wird.
Bislang hatte weltweit Einigkeit darüber geherrscht, dass solche Embryonen auf keinen Fall in einen Uterus überführt werden. Weil kein Mensch weiss, was mit diesen Menschen geschehen wird.
Der chinesische Forscher betont, es gehe ja nicht darum, die Augenfarbe zu verändern, sondern schwere Krankheiten auszumerzen. Gibt es einen Spielraum, in dem solche Genmanipulationen sinnvoll werden?
Sobald es technisch möglich ist, gewisse Krankheiten zu heilen, auch schon im ganz frühen Stadium, gibt es kein Argument dagegen. Dann ist es ethisch auch vertretbar. Das Problem ist nur, dass die Technik bis jetzt noch nicht so weit fortgeschritten ist. Ich kann noch nicht gewisse Teile der DNA verändern, ohne auch andere zu touchieren. Notabene weiss ich nicht, welche ich mitverändere. Das Risiko für die Menschen, die damit geboren werden, ist nicht abzuschätzen.
Also ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden?
Die Methode ist noch zu wenig ausgereift. Das zweite Argument, was den ganzen Wahnsinn noch klarer macht, ist: Falls diese Mädchen tatsächlich erwachsen werden und dann auch Kinder gebären, werden sie diese spezifische Veränderung allen Nachkommen weitergeben.
Ich kann noch nicht gewisse Teile der DNA verändern, ohne auch andere zu touchieren.
Es ist also ein massiver Eingriff in das menschliche Genom von weltweiter Bedeutung. Das ist auch zu diskutieren, bevor wir es überhaupt anwenden. Und selbst wenn Krankheiten geheilt werden könnten, ist das immer noch zu bedenken.
Diese Woche wird an einer internationalen Fachkonferenz in Hongkong diskutiert, für welche Fälle Genveränderungen sinnvoll sein könnten. Wie sollte diese Diskussion geführt werden?
Im Minimum müssen Nutzen und Risiken abgewogen und über den Stand der Technik informiert werden. Und dass ganz grundsätzlich eine breite gesellschaftliche Debatte ausgelöst wird über die Frage, wie wir damit umgehen wollen. Negativ formuliert muss verhindert werden, dass bestimmte Forschungsteams in irgendwelchen Labors in irgendwelchen Ländern der Welt darüber entscheiden, wie es mit der menschlichen Evolution weitergehen soll.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.