Bei Unfällen sollen neu standardmässig Fahrdaten, die ein Auto in den letzten Sekunden vor einem Crash im System abgreifen kann, abgespeichert werden – in einem sogenannten «Event Data Recorder», kurz: EDR. Diese Daten können helfen, Unfälle besser und standardisierter aufzuarbeiten.
Datenschleuder Tesla: Videodaten im Visier
Wie gespeicherte Autodaten bei Strafermittlungen plötzlich brisant werden, zeigen jüngst dokumentierte Fälle: Im Juni 2019 rammt ein Motorradraser ein Tesla-Fahrzeug in einer Berliner Quartierstrasse. Die Ermittler erhalten auf Ersuchen Zugriff auf den Tesla-Server, von dem sie die Videos der Seiten- und Frontkamera dieses Fahrzeugs herunterladen konnten. Diese haben den Teslafahrer in der Folge entlastet.
Im Januar 2020 liefert Tesla zu einem Selbstunfall mit Fahrerflucht vom Server ein Video, sowie minutiöse Fahrdaten zum Unfallzeitpunkt: Geschwindigkeit, Beschleunigung, Bremsmanöver, Unfallereignis.
Der damals ermittelnde Berliner Amtsanwalt Andreas Winkelmann ist erstaunt: «Der Tesla hat seinen eigenen Fahrer verpfiffen. Sonst wäre die Aufklärung dieser Tat in dieser Breite und Tiefe nicht möglich gewesen.» In einem weiteren Fall erhält Winkelmann sogar die sekundengenauen Fahrdaten eines massiv zu schnell geblitzten Tesla – Monate nach dem Vorfall. Und dies – das ist auch für den Ermittler erstaunlich – obwohl es zu keinem Unfall kam.
Autos sind Datensammelweltmeister
Crashdaten sind nur ein kleiner Teil dessen, was heutige Autos an Daten so sammeln und verschicken; der deutsche ADAC hat das 2017 genauer untersucht: Aus einem Mercedes, BMW und Renault wurden etwa regelmässig GPS-Positionen, letzte Navigationsziele, Sitzeinstellungen, Anzahl Gurtstraffungen oder letzte Motorenstarts gesammelt, gespeichert und auch auf die Server der Autohersteller verschickt. Auch ins nicht-datenschutzkonforme Ausland.
Datenschutz im Angesicht autonomer Fahrzeuge
«Wenn es um personenbezogene Daten geht, wird es heikel», sagt Bettina Zahnd, Leiterin Sicherheit im Strassenverkehr des Beratungsbüros EBP Schweiz AG. Sie hat jahrelange Erfahrung in der Unfallforschung, auch im Versicherungsumfeld: «Heute weiss ich im fahrenden Auto nicht, welche personenbezogenen Daten gerade von mir, wann und zu welchem Zweck in einer Hersteller-Cloud gespeichert werden.»
Umso wichtiger wird, ob, wann und welche Daten man zum Hersteller übermitteln will. Jeder Autohersteller bietet andere Datenschutz-Optionen an. Der Eidgenössische Datenschützer äussert sich im «Kassensturz», ob und wann solche Optionen im Auto heute überhaupt greifen.
Digitale Autospuren auch in der Schweiz ein Thema
Greifen auch Schweizer Unfallermittler auf solche Fahrdaten zurück? «Kassensturz» hat bei den Staatsanwaltschaften von Basel-Stadt, Bern, Aargau, Luzern, Zürich, Thurgau und Sankt Gallen nachgefragt: Kein Kanton führt eine genaue Statistik, ob und welche Fahrdaten beigezogen werden.
In Basel und Luzern seien keine Fälle bekannt. Die Kantone Aargau und Sankt Gallen arbeiten mit solchen Fahrdaten. In Sankt Gallen seien es mehrere pro Jahr. Auch solche, bei denen man in der Aufklärung auf die Hilfe der Autohersteller angewiesen sei.