Das Unwetter, das in der Nacht von Montag auf Dienstag über Zürich zog, brachte Regen wie noch nie – so hatte man den Eindruck. Die ETH-Klimaforscherin Sonia Seneviratne ordnet das Wetterereignis in den Reigen der immer häufiger auftretenden Wetterextreme wie Dürren, Hitzewellen oder Stürme ein.
SRF News: Wie aussergewöhnlich war der Gewittersturm, der Zürich getroffen hat, wirklich?
Sonia Seneviratne: Es war schon sehr aussergewöhnlich. Es wurden mancherorts mehr als 30 Millimeter Regen innert 10 Minuten gemessen. Das sind 30 Liter Wasser pro Quadratmeter.
Müssen wir mit solchen Ereignissen in Zukunft vermehrt rechnen?
Definitiv. Solche Ereignisse werden mit dem Klimawandel häufiger und extremer. Das geht Hand in Hand mit der Erwärmung der Atmosphäre. Und wir wissen, dass die Erwärmung weiter zunehmen wird.
Wird es mit der Klimaerwärmung denn nicht eher trockener?
Je höher die Temperatur in der Atmosphäre ist, desto höher ist auch der Sättigungspunkt für die Feuchtigkeit. Die wärmere Luft kann also mehr Wasser aufnehmen. Zugleich dauert es länger, bis es regnet. Aber wenn es dann regnet, dann regnet es um so stärker und extremer.
Hitzewellen sind häufiger auf als früher, ebenso Starkniederschläge.
Es heisst ja oft, man könne Einzelereignisse nicht direkt dem Klimawandel zuordnen. Doch jetzt scheinen sich die Extreme zu häufen: Hitzerekorde in Nordamerika und an den Polen, Rekordregen bei uns. Kann man die Häufung von Extremereignissen mit dem Klimawandel in Verbindung bringen?
Ganz klar. Das sieht man aus den Wetterbeobachtungsdaten – weltweit und in der Schweiz. So treten Hitzewellen häufiger auf als früher, ebenso Starkniederschläge.
Das unterstreicht auch die Rekordhitze in Nordamerika?
Ja. Meine Forschungsgruppe war an einer internationalen Studie beteiligt, welche das Hitze-Ereignis von Südwestkanada untersucht hat. Wir haben erforscht, wie gross der Beitrag des vom Menschen verursachten Klimawandels daran war. Wir kamen zum Schluss, dass das Ereignis 150 Mal wahrscheinlicher geworden ist wegen des Einflusses des Menschen auf das Klima.
Überschwemmungen, starke Stürme, extreme Temperaturen und Waldbrände haben in den letzten 20 Jahren gegenüber den 20 Jahren davor nachweislich stark zugenommen. Werden wir fortan also mit den Extremereignissen leben müssen?
Ja – und es wird noch schlimmer werden. Wir stossen immer noch fossiles CO2 in die Atmosphäre aus, und so lange das so ist, wird die Temperatur weiter zunehmen. Extreme Wetterereignisse werden also häufiger.
Das CO2 bleibt Tausende von Jahren in der Atmosphäre erhalten.
Diese Entwicklung wird sich erst ändern, wenn wir beim CO2-Ausstoss auf netto-Null kommen, die Gesamtmenge des in der Atmosphäre und in den Weltmeeren vorhandenen Kohlendioxids also nicht mehr steigt. Doch auch bei netto-Null wird die Temperatur höher bleiben, als sie früher war. Rückgängig machen lässt sich das kaum, denn das CO2 bleibt natürlicherweise während Tausenden von Jahren in der Atmosphäre erhalten.
Kann mit den angestossenen Massnahmen zur weltweiten Verminderung des Klimagas-Ausstosses – wie der Umsetzung des Klimaabkommens von Paris – wenigstens das Schlimmste verhindert werden?
Das ist so. Doch die bereits erfolgte Erwärmung bleibt erhalten – und solange wir weitere Klimagase ausstossen, nimmt die Erwärmung weiter zu.
Das Gespräch führte Arthur Honegger.