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Faktor Mensch als Problem Hände weg von selbst fahrenden Autos?

Autos, die selber steuern, bremsen und Gas geben, sind heute Realität. Damit fangen die Probleme an.

Anfang 2014 sass ich zum ersten Mal in einem Auto, das automatisiert fährt (Video) und konnte jenes Foto machen, das alle in derselben Situation machen, weil es die Technologie so schön verdeutlicht: Hände weg vom Steuer. Das Auto war ein Prototyp, der Kofferraum vollgepackt mit Computer und Steuerelektronik, neben mir sass ein Ingenieur mit Notebook, der den Wagen überwachte. Aus rechtlichen Gründen musste ich vor der Fahrt zuerst auf der Landebahn eines ehemaligen Flugplatzes ein einstündiges Fahrtraining absolvieren.

Reto Widmer mit zwei Kollegen und dem Volvo-Medienverantwortlichen auf Testfahrt, Smartphone in der Hand für Selfie, Hände weg vom Steuer.
Legende: Faszinierende Technologie sorgt für gutes Sicherheitsgefühl im selbst fahrenden Auto. Zu Recht? SRF

Letztes Jahr sass ich wieder in einem Auto, das automatisiert fährt (Video) – und wieder habe ich ein Selfie gemacht. Diesmal war das Auto ein Serienfahrzeug. Einsteigen – losfahren mit zwei Kollegen und einem Medienverantwortlichen. Selbstfahrende Autos sind rasend schnell in der Realität angekommen.

Sind wir damit der Vision von null Toten auf den Strassen ebenso rasant näher gerückt?

Vorstellung und Wirklichkeit liegen weit auseinander

Stefan Siegrist warnt vor zu viel Euphorie. Der Verkehrspsychologe und Vizedirektor der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) verweist auf die Hauptursache für Unfälle mit herkömmlichen Autos: Der Mensch nimmt relevante Informationen nicht immer wahr, hinter den meisten Unfallursachen steckt heute menschliches Versagen. Aus dieser Sicht führten automatisierte Autos ganz klar zu weniger Unfällen.

Grafik mit den 6 Stufen des automatisierten Fahrens. Driver only, Assistiert, Teilautomatisiert, Hochautomatisiert, Vollautomatisiert, Fahrerlos
Legende: Automatisierungsgrade des automatisierten Fahrens. vda/bfu

Nur sei das Problem heute, dass die Fahrzeuge eben alles andere als automatisiert seien oder gar autonom. Davon könne man erst in der sogenannten «5. Stufe» sprechen: Automatisiertes fahren in allen Verkehrssituationen, überall, auch innerorts.

Davon sind wir noch weit entfernt. Heute sind wir erst in der Mitte der Entwicklung angekommen, bei den teilautomatisierten Fahrzeugen (Stufe 2) – und die ist, nüchtern betrachtet, nicht mehr so prickelnd wie die Vorstellung, die schnell in unseren Köpfen auftaucht beim Stichwort «selbst fahrende Autos».

Genau darin sieht Stefan Siegrist die Problematik. Man wisse aus Befragungen, dass die Leute die aktuellen Systeme überschätzten, also von viel mehr «Automatisierung» ausgingen, als effektiv vorhanden sei:

Die Erwartungen an automatisierte Autos sind gross und nicht einmal überzogen, aber der Zeitpunkt wird falsch eingeschätzt.
Autor: Stefan Siegrist Verkehrspsychologe beim bfu

Flexiblerer Bundesrat

Box aufklappen Box zuklappen

Der Bundesrat soll die Kompetenz erhalten, auf Verordnungsebene mit Vorgaben auf technische Entwicklungen bei automatisierten Fahrzeugen flexibel reagieren zu können. Das hat das Parlament letzte Woche beschlossen. Der Fokus liegt dabei auf der vollautomatisierten «Stufe 5», die alle erhofften Vorteile bringt (Sicherheit, Effizienz).

«Was wir heute haben, sind verschiedene Assistenzsysteme, die miteinander verknüpft wurden», erklärt Siegrist, Dynamische Abstandregelung und Spurhalteassistent. «Dadurch können wir in bestimmten Situationen teilautomatisiert fahren, das heisst auf der Autobahn unter besten Bedingungen».

Mensch ist als Überwacher schlecht geeignet

Mit diesen besten Bedingungen ist schnell einmal Schluss, zum Beispiel, wenn eine Bodenmarkierung provisorisch ist, also orange. Dann ist das System überfordert und der menschliche Fahrer muss selber übernehmen – möglichst schnell.

Und hier liegt der Hund begraben, denn je mehr uns unsere Autos verwöhnen mit streckenweise selbständigem Fahren, desto mehr werden wir in die Rolle des reinen Überwachers versetzt. Der Mensch kann aber nicht längere Zeit konzentriert überwachen, es ermüdet ihn, er lässt sich schnell ablenken durch andere Informationen und benötigt dann mindestens 10 Sekunden, bis er sich den Überblick über die neue Situation verschafft hat.

Ein Cockpit mit zwei Piloten.
Legende: Im Gegensatz zu Autofahrern haben Piloten die Überwachung der Automatik intensiv geübt. Colourbox

«Früher hatten wir das Problem, dass ein Lenker seine Umgebung zu wenig wahrgenommen hat, jetzt besteht die Gefahr, dass er abgelenkt ist und dann nicht rechtzeitig parat ist, wenn das Auto Hilfe benötigt». Das ist die «Ironie der Automatisierung»: Wenn das Auto selber steuert, ist der Mensch unterfordert, muss er innert Sekunden das Steuer übernehmen, ist er überfordert.

Auf dem Weg hin zum vollautomatisierten Auto sei es deshalb zentral, diese Schnittstelle «Mensch Technik» genau anzuschauen, meint Siegrist.

Da kommt eine grosse Revolution auf uns zu.
Autor: Stefan Siegrist Verkehrspsychologe beim bfu

«Wir stehen ganz an den Anfängen, jetzt brauchten wir eine breite Diskussion, wie wir die heikle Übergangsphase bis zur Vollautomatisierung meistern können».

Ansonsten besteht die Gefahr, dass in den nächsten Jahren Unfälle geschehen, weil Fahrer beim Übergang von der Automatik zum manuellen Betrieb Fehler machen. So könnten automatisierte Autos in ein schlechtes Licht gerückt werden. Für die weitere Entwicklung wären solche negativen Effekte alles andere als förderlich, gibt Stefan Siegrist zu bedenken.

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