Die Fakten sind schnell und einfach erzählt. Geboren am 6. Februar 1912, aufgewachsen mit zwei Schwestern in München, macht nach der Schule eine Ausbildung zur Fotolaborantin. Im Fotoatelier ihres Lehrmeisters Heinrich Hoffmann, dem späteren Fotografen Hitlers, lernt Eva Braun 1929 den künftigen Führer kennen.
Ab hier braucht es viel Recherche. Denn Braun selbst hat nicht viele Texte hinterlassen und Hitler hat alle seine Aufzeichnungen verbrannt.
2010 erscheint die Biografie Eva Brauns, geschrieben von der Historikerin Heike Görtemaker. Sie begibt sich in ihren Recherchen erstmals in den «inneren Zirkel» von Hitlers Gefolgschaft und gibt so Einblicke in das Leben Eva Brauns sowie anderer mächtiger Frauen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs.
Der Retter Deutschlands, gesund und kräftig
1929 war Adolf Hitler Vorsitzender der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), welche München bereits fest in ihrem Würgegriff hatte.
Angeblich hatte Eva Braun Hitler nicht erkannt. Auf Geheiss ihres Chefs Hoffmann musste sie Getränke und Essen organisieren, welche die drei dann zusammen im Atelier verzehrten. Diese Erzählungen gehen zurück auf Evas Schwester Ilse Braun. Zu diesem Zeitpunkt ist Hitler 40 Jahre alt, Eva 17.
Die Nationalsozialisten fahren eine breite Propaganda-Politik. Sie stellen Hitlers Leben als einen einzigen Kampf für sein Volk dar. Er ist ein Einzelkämpfer, einer, der Ruhm, Ehre und Macht ohne fremde Hilfe erreichen konnte.
Dieses Bild wollen die Nationalsozialisten vermitteln. Sie brauchen einen Helden aus dem Volk. Einen Retter Deutschlands. Eine Figur, die keine Fehler hat, die über allen Menschen steht, gesund und kräftig. In dieses Bild passt keine Geliebte oder gar Ehefrau.
Doch so sei Hitler nicht gewesen, sagt Heike Görtemaker in der SRF-Sendung «Zeitblende». Hitler habe nicht allein sein können. Er sei stets in Begleitung gewesen von Freunden oder Frauen. Kino, Restaurants, Urlaube. Er habe jemanden gebraucht, der ihn seelisch stützte, rekonstruiert die Historikerin.
Sprachrohr für den Nationalsozialismus
Liebe? Sex? Man weiss nicht, was hinter verschlossenen Türen vor sich ging. Doch Zeitzeugen sagen, dass Eva Braun wie eine Ehefrau behandelt worden sei. Eine Zweckgemeinschaft? Welchen Zweck hätte diese denn gehabt? Keiner hatte dem anderen einen Vorteil verschafft.
In der Öffentlichkeit durfte nicht über Eva Braun gesprochen werden. Die Presse wurde gelenkt und so war es einfach, dies sicherzustellen. Eva Braun lebte vorwiegend im Berghof auf dem Obersalzberg in Oberbayern: Hitlers Rückzugsresidenz und Ort zahlreicher Veranstaltungen des «inneren Zirkels» der Nationalsozialisten. Hier konnte Braun frei schalten und walten, entschied oft, wer eingeladen wurde und wer nicht.
Politisch war die Frau an Hitlers Seite durchaus engagiert. Ihre Mutter berichtete, die Tochter hätte schon vor 1933 in der Familie für Hitlers Ideen geworben. Mittäterin war Eva Braun eher nicht. Wohl aber Mitwisserin, so das Fazit Görtemakers. Sie passte nicht in das Frauenbild des Nationalsozialismus. Überhaupt war die Idee der Frau am Herd nur Utopie. Gerade während des Krieges wurden die Frauen in den Fabriken gebraucht.
Frauen sollten Nazis erziehen
Doch die Frauen hatten zur Zeit Hitlers eine weitaus grössere Rolle. So gab es unter ihnen zahlreiche Förderinnen, die mit ihrem Geld und ihren Kontakten den unbekannten, ehrgeizigen Mann aus Österreich überhaupt erst an die Macht gepusht hatten. Mit der Begeisterung, ein neues Deutschland aufzubauen, ein neues System. Nach dem Motto: «Wir sind jung, modern und wir machen etwas Grossartiges. Zusammen.»
Frauen waren gemäss Görtemaker empfänglich für Ideologien. Sie wurden von den Nationalsozialisten nie als bedeutungslos angesehen. Sie durften keine Stellungen bekleiden, und trotzdem waren sie essenziell: Sie mussten den neuen Menschen, den die NS kreieren wollten, hervorbringen und erziehen.
Als Eva Hitler in den Tod
Adolf Hitler habe in der Reichskanzlei bis zum letzten Atemzug gekämpft und sei gefallen, lassen die Nationalsozialisten am 30. April 1945 verlauten. Der Zweite Weltkrieg ist verloren. Später wird klar: Hitler ist keinen Heldentod gestorben. Er hat sich in den Kopf geschossen.
Zwei Minuten vor ihm stirbt Eva Hitler. Durch einen Giftcocktail. In den Wirren des Kriegsendes hatte sie sich nicht in Sicherheit gebracht, sondern war eilig nach Berlin gereist – in dem Wissen, es nicht lebend wieder zu verlassen.
So hat Hitler Eva kurz vor dem Suizid noch geheiratet. In seinem Testament erklärt er, er habe die Frau heiraten wollen, die ihn nie im Stich gelassen habe. Er habe sie nicht entehrt sterben lassen wollen.
Starke Frauen in der Zustimmungsdiktatur
Mit in den Tod geht auch das Ehepaar Göbbels. Joseph Göbbels ist einer von Hitlers engsten Vertrauten. Für Magda Göbbels, Vorzeigemutter des Dritten Reichs, ist der Freitod die einzige Option. Ein Leben ohne den Nationalsozialismus und ohne den Führer kann sie sich nicht vorstellen. Der «innere Zirkel» weiss auch: Sie sind zu Mördern geworden. Andere werden ihnen das nicht verzeihen. Dieses Wissen teilen die Frauen mit den Männern.
Was bleibt denn nun? Das Schicksal und die Auseinandersetzung mit dem Leben von Eva Braun und der anderen Frauen von hochrangigen Nationalsozialisten wirft ein neues Bild auf Hitlers «inneren Zirkel», stellt die ganze Propaganda infrage, entlarvt den einsamen Führer, der alles aus sich selbst geschaffen, der alle verhext hat, allein an allem schuld gewesen ist.
Hitler sei kein Einzeltäter gewesen, sagt Heike Görtemaker. Die Frauen spielten eine entscheidende Rolle für den Aufstieg Hitlers und für den Nationalsozialismus, von dem sie zutiefst überzeugt waren. Es war eine Zustimmungsdiktatur, in der die Mehrheit der Deutschen das Regime unterstützten, Hitler als Symbol und Garant des Nationalsozialismus unterstützten und zu ihm hielten.