Sie gilt als «Therapie der letzten Chance» und ist seit dem 1. Januar 2020 zugelassen in der Grundversicherung: Die sogenannte Car-T-Zelltherapie, bekannt geworden unter dem Namen Kymriah von Novartis. Patienten erhalten bei spezifischen Krebsarten Zugang zu dieser teuren Behandlung, wenn Chemotherapien nicht mehr wirken.
Krankenkasse zwingt todkranken Versicherten zum Rechtsstreit
Der 82-jährige Karl R. erhält die Car-T-Zelltherapie im Frühling 2020 von spezialisierten Ärzten des Inselspitals Bern verschrieben. Doch seine Krankenkasse, die SLKK, blockt und erteilt keine Kostengutsprache für die offiziell 370'000 Franken teure Behandlung. Ein langwieriges Hin und Her zwischen Kasse und Spital endet im Herbst 2020 mit einer rechtskräftigen Verfügung. Die Kasse zwingt ihren todkranken Versicherten vor Gericht zu gehen.
«Die SLKK hat auf Zeit gespielt»
«Wenn sie Krebs haben, tickt der Faktor Zeit», sagt Armin R., der Sohn des betroffenen Patienten. «Dessen war sich auch die Krankenkasse SLKK bewusst. Ich behaupte, sie hat auf Zeit gespielt, um eine teure Therapie nicht bezahlen zu müssen.» Diesen Vorwurf bestreitet die SLKK gegenüber «Kassensturz»: Der Instanzenweg sei in der Grundversicherung bei Streitigkeiten zwischen Versicherern und Versicherten so vorgesehen.
Krankenkasse zieht Entscheid bis vor Bundesgericht
Obwohl das Verwaltungsgericht Obwalden die Kasse zur Bezahlung der Therapie verpflichtet, zieht die SLKK den Entscheid weiter bis vor Bundesgericht. Eine durch das Gericht verfügte Vorfinanzierung in einem zusätzlichen Verfahren bestreitet die Kasse ebenfalls. Bitter für den Betroffenen: Vor Gericht hält ihm seine Krankenversicherung vor, sein Fall sei offensichtlich nicht dringlich, da er rund dreiviertel Jahre nach dem Kostengutsprachegesuch immer noch lebe.
Inselspital Bern äussert sich nicht zum Fall
Die Car-T-Zelltherapie kann schliesslich gestartet werden, weil das höchste Gericht die Krankenkasse zur Vorfinanzierung verpflichtet. Unklar ist, wie sinnvoll aus medizinischer Sicht die Behandlung zu diesem Zeitpunkt noch ist. Das Inselspital will sich zum Fall nicht äussern.
Bundesgericht gibt Patient Recht
Rund eineinhalb Monate nach Beginn der Behandlung weist das Bundesgericht die Beschwerde der SLKK ab. Die Krankenkasse muss die Kymriah-Therapie bezahlen. Der Betroffene erfährt davon nichts mehr. Einen Tag vor dem Gerichtsentscheid stirbt Karl R.. Die Ohnmacht der Angehörigen ist gross: «Der Fall unseres Vaters zeigt, eine Krankenkasse kann im Extremfall über Leben und Tod entscheiden.»
Aufsichtsverfahren gegen SLKK läuft
Die Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Gesundheit (BAG), schreibt gegenüber «Kassensturz»: Aufgrund des Falles habe das BAG gegen die Krankenkasse SLKK eine aufsichtsrechtliche Untersuchung eingeleitet.