«35-jähriger Mann will ausziehen und auf eigenen Beinen stehen»:
Die Nachricht versetzte gestern nicht nur die Hochglanzpostillen in helle Aufregung. Denn Prinz Harry ist nicht irgendjemand, sondern der kleine Rotschopf aus der Windsor-Dynastie, mit dem viele von uns erwachsen geworden sind. Und mit dem noch viel mehr mitgelitten haben und zuweilen auch an ihm verzweifelt sind.
Für viele Briten ist er aber vor allem eines: einer vor ihnen. Immer gut für das nächste Fettnäpfchen, trinkfreudig und mit so manchem Bruch in der Biografie.
Nacktbilder aus einer durchzechten Nacht in Las Vegas machten ihn endgültig zum Helden der Revolverpresse. «Harry greift nach den Kronjuwelen», untertitelte «The Sun» einen Schnappschuss beim Strip-Billard.
«Zu viel Armee, zu wenig Prinz», blickte Harry später auf die testosteron- und alkoholgeschwängerte Nacht mit Kameraden aus der britischen Army zurück. Für ihn war es ein Weckruf: Zeit, erwachsen zu werden. Von Las Vegas gings an die Front in Afghanistan; der Herzog von Sussex stieg auf zum Offizier der Heeresflieger des Königreichs.
Aus der Skandalnudel wurde Everybody’s Darling. Bis schliesslich die «Royal Wedding» mit Hollywood-Schönheit Meghan Markle folgte – eines der grössten TV-Happenings aller Zeiten.
Das Happy End? Mitnichten. Der junge Royal hat genug:
Nach vielen Monaten des Nachdenkens und der Diskussionen haben wir uns entschieden, in dieser Institution eine neue fortschrittliche Rolle für uns zu finden.
Offenbar war nicht einmal die Queen über den Entscheid informiert – und entsprechend verstimmt. «Das sorgt auch für Empörung bei den Briten. Sie fühlen mit der 93-jährigen Königin, sie haben grossen Respekt vor ihr», berichtet SRF-Korrespondentin Henriette Engbersen.
Kleinere und gröbere Verletzungen des Protokolls haben sich schon andere Mitglieder der Königsfamilie erlaubt. Harry und Meghan hätten mit ihrem Alleingang aber deutlich gegen das royale Regelwerk verstossen, sagt Engbersen: «Alle Mitglieder des Königshauses erhalten finanzielle Unterstützung. Im Gegenzug gibt es Regeln.»
Von einer abgrundtief verärgerten Queen und «Bürgerkrieg im Buckingham Palast» berichtet die Yellow Press nun. Und orakelt, die ungeliebte Meghan habe «totale Kontrolle» über Harrys Leben übernommen.
Der Boulevard schiesst sich auf die nächste Yoko Ono ein: «Die Klatschblätter sprechen davon, dass Meghan dem Königreich seinen liebsten Prinzen klaut», so die Korrespondentin.
Harry, der mittlerweile Vater geworden ist, will seine Familie schützen.
Eines war für Engbersen aber schon lange deutlich: «Meghan fühlte sich in Grossbritannien nicht wohl.» Vor allem wegen des aggressiven Stils des britischen Boulevards: Seit Jahren verbiss er sich etwa in das getrübte Verhältnis zu ihrem Vater. «Und auch in den sozialen Medien gab es immer wieder rassistische Anfeindungen, weil Meghans Mutter schwarz ist.»
Dass eine moderne, karitativ engagierte und unabhängige Frau sich auf der Insel nicht wohlfühle, halte den Briten nun den Spiegel vor, glaubt Engbersen: «Was sagt das über die Monarchie und Medienlandschaft aus?»
«Die politischen Blätter wie die ‹Times› und der ‹Guardian› schreiben, dass dieser persönliche Schritt viele gesellschaftliche Fragen aufwirft», so die Korrespondentin weiter. Etwa diejenige, ob es eine moderne Monarchie für das 21. Jahrhundert gebe. Auch die Rolle des Boulevards werde kritisch diskutiert, ebenso der Umgang mit Rassismus im Netz.
Der Herzog von Sussex hat offenbar seine eigenen Schlüsse gezogen. «Harry, der mittlerweile Vater geworden ist, will seine Familie schützen», schliesst Engbersen.