Die langjährige Erfahrung der Game-Branche fürs Büro nützen – genau das wollen Dienste wie «Branch», «Gather» oder «Huddle». Sie verknüpfen Videokonferenz-Tools mit Technologien aus Online-Multiplayer-Games, in denen Spieler im Team Probleme lösen, sich austauschen oder kämpfen.
Abgesehen davon, dass die Arbeit im Büro manchmal auch ein Kampf sein kann, soll der Einsatz von Spieltechnologien ein grosses Manko beseitigen von Videochat-Tools wie Skype oder Zoom: Für jeden Kontakt müssen sich die Benutzer zuvor verabreden, vor und nach dem Austausch sind alle wieder am Arbeiten – allein.
Vor allem für Personen, die viel soziale Kontakte benötigten und kreativ arbeiten, könne das ein Problem sein, sagt Petra Schmid, Professorin an der ETH Zürich und Expertin für das Verhalten von Menschen in Organisationen. «Extrovertierte Leute sind häufig davon abhängig, dass sie den Austausch haben mit Kollegen; die brauchen das, um sich wohlzufühlen.»
Nähe schaffen, wo keine Nähe ist
Die Kommunikationstools, die auf den Multiplayer-Ansatz setzen, versuchen, Spontanität zu ermöglichen in einer virtuellen, aber räumlichen Infrastruktur, wie wir sie aus Games kennen. Da gehört dazu, dass man nur jene Personen wahrnimmt und hört, die in der Nähe sind. Und eine Person leiser wird, wenn sie sich wegbewegt im virtuellen Raum. Es ist der Versuch, Nähe und Distanz zu simulieren in einer Situation, in der es beides nicht gibt – weil alle nur in einem Zustand sind: im Homeoffice.
Multiplayer-Games haben solche Nah- und Distanz-Mechanismen schon lange eingebaut. Start-ups wollen sie nun einsetzen, um virtuelle Bürogebäude zu bauen, in denen sich die Menschen im Homeoffice so benehmen und fühlen können wie in einer richtigen Büroumgebung.
Mischung aus Minecraft und Secondlife
So sollen beispielsweise spontane Feedbacks und Lob möglich sein, etwas, das man im Homeoffice genau so vermisst wie Plaudereien bei der Kaffeemaschine oder ein Apéro in der Lounge. Für beides können virtuelle Räume gebaut werden.
Arbeitspsychologin Petra Schmid findet den Ansatz spannend, denkt aber nicht, dass er eine Revolution im Homeoffice auslösen wird: «Ich betrachte es als eine Spielerei und eine gute Möglichkeit, einmal etwas ganz anderes auszuprobieren, um den spontanen informellen Austausch ins Homeoffice zu bringen».
Game-Entwickler können Homeoffice verbessern
Die bekannte Schweizer Game-Entwicklerin Philomena Schwab prägte einst das Zitat: «Game-Entwickler sind nahezu Drogendesigner». Auch wenn das Homeoffice dank neuer Kommunikationstools wohl nicht zu einer Droge wird – nützlich könnten diese allemal sein.
Der Ansatz könnte funktionieren, weil Game-Entwickler sehr gut wissen, wie man virtuell Menschen zu motivierten Teams zusammenbringen kann, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten, als sässen sie alle im selben Raum. Allerdings setzt das voraus, dass alle Mitarbeiter immer online und erreichbar sind.
Für Petra Schmid ist das problematisch: «Man sollte solche Arbeitsformen nicht strikt von 9 bis 17 Uhr einsetzen, sondern flexibel.» Sonst gingen positiven Aspekte vom Homeoffice verloren wie die Möglichkeit, seine Arbeitszeit selber einteilen zu können.
Fällt das weg, wäre das ein Rückfall in überholte «9-to-5»-Denkweisen, etwas, dass die Homeoffice-Verbesserer mit Game-Entwickler-Hintergrund wohl als allerletztes wollen.