Über dem Atlantik hat sich der Hurrikan Lorenzo gebildet. Er steuert nicht auf die Karibik, sondern auf Europa zu. Laut den Prognosen soll Lorenzo am Mittwoch auf die portugiesischen Azoren treffen. Im Verlauf der vergangenen Nacht wurde Lorenzo von der Kategorie fünf auf drei heruntergestuft. Ob er immer noch gefährlich ist, darüber gibt SRF-Meteorologe Felix Blumer Auskunft.
SRF News: Der Sturm hat sich ein bisschen abgeschwächt. Was bedeutet das für die Azoren?
Felix Blumer: Grundsätzlich kann man keine Entwarnung geben. Stufe drei ist natürlich weniger dramatisch als Stufe fünf, aber es würde trotzdem bedeuten, dass der Hurrikan mit 180 Kilometer pro Stunde Windgeschwindigkeit auf die westlichen Azoreninseln treffen würde. Das hätte zerstörerische Wirkung und es würde sehr grosse Wellen mit sich bringen. Experten gehen davon aus, dass die Wellen bis zu 15 Meter hoch sein dürften. Aber es dauert noch zwei Tage, bis der Hurrikan in die Gegend der Azoren kommt. Hoffen wir, dass er sich noch abschwächt.
Erste Modelle zeigen, dass Lorenzo danach in Richtung der Britischen Inseln treiben könnte. Was wird da befürchtet?
Man muss davon ausgehen, dass es danach einen Sturm auf dem europäischen Festland, bzw. an der europäischen Küste gibt. Wo genau Lorenzo auf die europäische Küste treffen wird, ist noch unsicher, wahrscheinlich bei den Britischen Inseln. Es könnte auch sein, dass er Richtung Iberische Halbinsel weiterzieht. Dort wird er nicht als Hurrikan ankommen, sondern nur noch als aussertropisches Sturmtief. Sturmtief Leslie hatte im letzten Jahr eine ähnliche Zugbahn.
Leslie zog von den Azoren Richtung Portugal und erreichte die portugiesische Küste mit Windspitzen bis 176 Kilometer pro Stunde. Und vor zwei Jahren erreichte Ophelia Irland. Damals wurden in Irland Spitzen von über 150 Kilometern pro Stunde gemessen.
Wird Lorenzo in der Schweiz auch zu spüren sein?
Wir werden Lorenzo wahrscheinlich abgeschwächt als Sturmausläufer spüren, aber nicht als Hurrikan. Zudem ist es dann auch noch sehr davon abhängig, wo genau die Ausläufer die europäische Küste erreichen.
Ist Hurrikan Lorenzo eine Auswirkung des Klimawandels?
Indirekt ist der Hurrikan eine Auswirkung der Klimaveränderung oder der allgemeinen Erwärmung. Schon in den letzten zwei Jahren hatten wir Hurrikane, die Richtung Europa unterwegs waren.
Die hohen Temperaturen im Atlantik gelangen immer weiter nach Norden, das heisst, die Hurrikane haben auch eine Chance, weiter nördlich bestehen zu bleiben.
Das war vorher nicht der Fall. Das ist eine Auswirkung des wärmer werdenden Atlantiks. Die hohen Temperaturen im Atlantik gelangen immer weiter nach Norden, das heisst, die Hurrikane haben auch eine Chance, weiter nördlich bestehen zu bleiben und dann sind sie nicht mehr in der Passatwindzone, sondern immer mehr auch in die Westwindzone. Das bedeutet, dass sie vom zentralen Atlantik Richtung Osten ziehen und dann Europa erreichen. Wir müssen uns auch in den kommenden Jahren auf dieses Szenario gefasst machen.
Das Gespräch führte Marc Allemann.