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Illegal, aber beliebt DNS-Tests übers Internet: Was macht Sinn und was ist gefährlich?

In den USA sind Gentests übers Internet in Mode. Die Dienste sind bei uns illegal, werden aber trotzdem genutzt.

Verschiedene Anbieter verkaufen Gentest-Sets, die einen über die Abstammung oder über Verwandte informieren. Kosten: Rund 100 Franken.

Mit einem Wattestäbchen entnimmt man Speichel und schickt die Probe dem Anbieter. Ein paar Wochen später hat man die Resultate. Die könnten etwa so aussehen: «Sie haben 33 Prozent skandinavischen Anteil, zu 5 Prozent sind sie Schotte und zu 3 Prozent Neandertaler».

Die Anbieter setzen bei der Analyse auf Big Data. Sie vergleichen eine DNS-Probe mit bestimmten Merkmalen, die in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich häufig auftreten.

Schicken zwei Verwandte, die sich nicht kennen, ihre DNS-Proben ein, fällt die Übereinstimmung auf. Die Anbieter werben denn auch auf ihren Webseiten mit eindrücklichen Erfolgsgeschichten von Kunden, die so nach jahrelanger Suche ihren leiblichen Vater gefunden haben – ohne dessen Namen zu kennen. So weit, so harmlos.

Big Data ist ungeeignet

Anders sieht das bei medizinischen Anwendungen aus, bei der Risikobestimmung, beispielsweise an Diabetes, Alzheimer oder Brustkrebs zu erkranken.

Auch hier analysieren die Anbieter nicht die individuelle genetische Struktur eines Patienten an, sondern arbeiten mit Big Data und Wahrscheinlichkeiten – keine brauchbaren Aussage, meint Anita Rauch vom Institut für medizinische Genetik der Uni Zürich: «Ob man wirklich eine knallharte Mutation hat, die das Risiko schlagartig auf 70, 80 Prozent hochhebt, wird damit gar nicht untersucht». So könne ein Internet-Test ein normales Risiko für Brust- oder Darmkrebs voraussagen, obwohl eine starke Mutation vorliegt mit einem hohen Risiko.

Oder umgekehrt: Der Test prognostiziert ein Risiko für eine Krankheit, die man nicht hat. «Bevor Sie so etwas machen, müssen Sie wirklich 100 Prozent sicher sein, dass das Ergebnis valide ist!» meint Anita Rauch, weil die Folgen gravierend sind: Die Teilnehmer machen sich unnötig Sorgen oder lassen sich sogar prophylaktisch einen Teil des Darms entfernen, weil der Test etwa ein hohes Risiko für Darmkrebs diagnostiziert hat.

Eine seriöse Risiko-Abschätzung ist nur mit aufwändigen DNS-Analysen aus einem Speziallabor möglich, nicht mit billigen Angeboten aus dem Internet.

In der Schweiz verboten

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In der Schweiz sind Gentests im Internet verboten. Anbieter aus dem Ausland dürfen keine Speichelproben entgegennehmen für medizinische Analysen. Labore, die in der Schweiz Gen-Analysen anbieten, müssen vom Bundesamt für Gesundheit eine Lizenz besitzen, ein Test darf nur von einem Arzt verordnet und die Ergebnisse müssen zwingend von einer Fachperson interpretiert und mit ihr besprochen werden.

Das Geschäft mit Erbinformation

Die Anbieter billiger Tests verdienen doppelt: Sie kassieren zuerst von den Teilnehmern und verkaufen dann die DNS-Daten, etwa an Pharmaunternehmen. In den AGB versprechen sie zwar, dass sie die Daten anonym weitergeben, dass also keine Rückschlüsse auf ein Individuum möglich sind. Zurzeit scheint das Missbrauchspotential nicht sehr hoch. Niemand weiss aber heute, was morgen alles möglich sein wird.

Anita Rauch gibt zu bedenken: Viele Charaktermerkmale sind genetisch angelegt. Das könne zur Gefahr werden in Ländern, in denen die Menschenrechte zweitrangig seien. Die Bestrafung Unschuldiger kann eine Folge sein, weil sie über angebliche Ähnlichkeiten in der DNS mit einem Verbrechen in Verbindung gebracht werden. Oder die Diskriminierung von Minderheiten.

Dass diese Zukunft gar nicht so fern ist, zeigt ein Bericht der New York Times: China soll Millionen von Menschen, die der muslimischen Minderheit der Uiguren angehören, einer grossen Überwachungs- und Unterdrückungskampagne unterzogen haben. Dazu sei auch DNS-Material der Uiguren gesammelt worden – mithilfe von Technik und «Know-How» aus den Vereinigten Staaten.

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