Viele durch Covid-19 gefährdete Menschen hegen grosse Hoffnungen in einen Impfstoff. Wann er kommt und wie wirksam er sein wird, ist derzeit ungewiss. Fest steht: Weltweit liefern sich Pharmakonzerne ein Wettrennen bei der Entwicklung eines Impfstoffs; viele Länder haben bereits Kaufverträge für aussichtsreiche Impfstoffkandidaten abgeschlossen.
Doch traditionell gibt es Menschen, die Impfungen kritisch gegenüberstehen. Zu ihnen gesellen sich in Corona-Zeiten Skeptiker, die dunkle Kräfte am Werk wähnen. Dessen ungeachtet wird die Forschung in schwindelerregendem Tempo vorangetrieben.
Damit ein Impfstoff zugelassen werden kann, muss er auch am Menschen getestet werden. Einer, der freiwillig bei einer Impfstoffstudie mitmacht, ist Joe. Der deutsche Journalist will anonym bleiben – aus Angst vor Impfgegnern.
Wie auf der Zigarettenpackung steht im Kleingedruckten, dass man sterben kann.
Gegenüber SRF News erklärt Joe, warum er sich überhaupt für den Impfstofftest gemeldet hat: «Zum einen habe ich Interesse an Naturwissenschaften und habe die Impfstoff-Entwicklung schon früh aus journalistischer Sicht verfolgt.»
Dazu kommt: Während viele seiner Freunde mit Geldsorgen, Kurzarbeit und familiärem Stress zu kämpfen hatten, blieb Joe von solchen Auswirkungen der Coronakrise verschont. «Ich hatte immer Glück und fühlte mich privilegiert.»
Risiken und Nebenwirkungen
Aus Interesse an der Materie und wegen schlechten Gewissens hat sich Joe entschieden, einen Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten. Er meldete sich bei der Firma Biontech in Mainz, die derzeit einen Corona-Impfstoff testet. «Es hat mich auch technisch und wissenschaftlich gereizt. Denn es gibt bislang keinen zugelassenen RNA-Impfstoff auf der Welt.»
Impfstoff-Studien sind nicht ohne Risiken. Am Dienstag teilte der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson mit, dass er seine Corona-Impfstoffstudie wegen einer ungeklärten Erkrankung bei einem Probanden unterbrochen habe.
Muss man, salopp gefragt, einen Knacks haben, um sich diesem Risiko freiwillig auszusetzen? «Die Risiken sind auf dem Papier geringer, als wenn man raucht. Ich bin also nicht des Wahnsinns», antwortet Joe mit einem Schmunzeln. «Und wie auf der Zigarettenpackung steht im Kleingedruckten, dass man sterben kann.»
Derlei Ängste hatte Joe nie. Die Probanden würden detailliert über Risiken informiert. Etwa darüber, dass bei vergleichbaren Impfstoffkandidaten diverse Grippesymptome vorkommen könnten.
«Uns hat der Prüfarzt gesagt, dass er im schlimmsten Fall einen allergischen Schock erwartet, vergleichbar mit einem Bienen- oder Wespenstich bei Allergikern.» Joe beunruhigte das nicht. Schliesslich würden die Probanden medizinisch begleitet.
Erste Dosis gut verkraftet
Nach eingehender Information über Risiken und die juristischen Hintergründe des Verfahrens wurde Joe mehrere Stunden untersucht: «Vorerkrankungen, Lebenswandel, EKG usw. Alles wird aufwändig abgeklärt. Erst, wer dann noch ins Raster passt und kerngesund ist, darf an der Studie teilnehmen.»
Das hat Joe geschafft. In zwei Wochen erhält er seine zweite und letzte Dosis des Impfstoffes. Nach der ersten vorige Woche blieb er beschwerdefrei. «Wenn ich recht informiert bin, kann bei der zweiten Dosis eher mal eine Nebenwirkung auftreten, weil der Körper dann bestenfalls schon Antikörper gebildet hat und auf das neue ‹Problem› reagiert.» Auch diesem Szenario blickt Joe gelassen entgegen.