Der schwedisch-britische Pharmakonzern Astra-Zeneca kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Dänemark und Norwegen haben nun aus Gründen der Vorsicht entschieden, die Impfdosen von Astra-Zeneca vorerst nicht mehr zu verabreichen. In Österreich und Italien wurde vorsorglich eine Charge des Impfstoffs aus dem Verkehr gezogen. Wissenschaftsredaktor Thomas Häusler mit den Details.
SRF News: Woher rühren diese Bedenken?
Thomas Häusler: Es sind bei Geimpften schwere Fälle von Blutgerinnseln aufgetreten. Dänemark hat deshalb die Impfungen für zwei Wochen ausgesetzt. In Österreich war Ähnliches der Grund. Aber die dänischen Behörden betonen, es sei kein Zusammenhang zwischen Impfung und den Gerinnseln bewiesen.
Blutgerinnsel sind gar nicht so selten.
Deutschland und Grossbritannien impfen denn auch weiter. Ein Vertreter der britischen Zulassungsbehörde hat gesagt, es seien bisher elf Millionen Briten mit dem AstraZeneca-Impfstoff geimpft worden – und man habe trotz Überwachung bei Geimpften nicht mehr Fälle von Blutgerinnseln gesehen, als sie sonst auch auftreten. Das ist nämlich gar nicht so selten.
Haben die anderen Impfstoffhersteller auch solche Probleme?
Wenn viele Millionen in kurzer Zeit geimpft werden, treten zwangsläufig bei manchen schwere Zwischenfälle auf, die nichts mit dem Impfstoff zu tun haben. Es traf zum Beispiel auch schon den Impfstoff von Pfizer/Biontech. Es starben einige sehr alte Menschen kurz nach der Impfung, das machte Schlagzeilen – aber die norwegischen Behörden untersuchten die Fälle und fanden keinen Zusammenhang. Aber natürlich ist eine intensive Untersuchung, wie sie jetzt in Dänemark passiert, wichtig.
Zunächst hiess es, der Impfstoff von Astra-Zeneca sei möglicherweise bei älteren Patientinnen und Patienten nicht ganz so zuverlässig wie andere Präparate. Sind diese Bedenken noch aktuell?
Nein, anfangs gab es eine schmerzliche Datenlücke. Man konnte kaum Verlässliches über die Schutzwirkung bei den über 65-Jährigen sagen. Aber das hat sich geändert: Grosse Untersuchungen in Schottland und England, wo der Impfstoff millionenfach verabreicht worden ist, haben gezeigt, dass sogar über 80-Jährige zu 80 Prozent vor einer Hospitalisierung wegen Covid-19 geschützt werden. Das hat zum Beispiel die deutsche Impfkommission überzeugt. Sie ist auf einen früheren Entscheid zurückgekommen und empfiehlt den Astra-Zeneca-Impfstoff nun neu auch für ältere Menschen.
Der Impfstoff von Astra-Zeneca soll ja auch in der Schweiz zur Anwendung kommen, wartet jedoch nach wie vor auf die Zulassung. Wenn man nun hört, der Impfstoff sei trotz aller Negativschlagzeilen gut, dürfte auch die Zulassung bald kommen?
Swissmedic hat am Mittwoch noch einmal via Twitter betont, dass ihr noch Daten aus den formalen klinischen Studien fehlen, die Studien aus Grossbritannien könnten dieses Manko nicht ausgleichen. In den USA läuft noch eine klinische Studie zum Astra-Zeneca-Impfstoff – diese sollte bald fertig sein und darauf wartet Swissmedic wohl. Christoph Berger, der Präsident der Eidgenössischen Impfkommission, sagt auf Anfrage, man müsse die Zulassung abwarten – aber wegen der aktuellen Knappheit wäre ein zusätzlicher Impfstoff willkommen. Berger hält die mRNA-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna für leicht besser, aber der Astra-Zeneca-Impfstoff sei auch gut und darum könnte man den alten Menschen, die noch keinen Impftermin haben, die Wahl lassen – entweder sofort Astra-Zeneca impfen oder auf den mRNA-Impfstoff warten.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.