Bei «Kassensturz» meldete sich eine Frau, aufgelöst, weil sie nicht weiter wusste: Internetkriminelle hatten das Geschäftskonto ihres Vaters – einem Wirt – geleert. Die Buchhaltung des Restaurants machte ein Treuhänder, dieser betreute auch das Geschäftskonto. Am Schluss seien nur noch 9.70 Franken auf dem Konto gewesen, 113’000 Franken seien verschwunden, erinnert sich die Tochter.
Der Wirt ist Opfer eines raffinierten Angriffs. Die Kantonspolizei Zürich warnt auf ihrer Internetseite mit einer Original-Tonaufnahme vor diesem Betrugstrick. Dieser beginnt mit einem Anruf, in dem ein Paket angekündigt wird. «Ich rufe wegen der Zustellung an», sagt da eine Frauenstimme, die sich als Olivia Zurbriggen vorstellt. «Den Lieferschein schicke ich sofort. Sie sollen das ausdrucken und unserem Kurier vorweisen.» Wegen Corona dürfe sie keine Unterschrift machen.
Der Kriminelle installiert Schadsoftware
Der Treuhänder des Wirts erhielt das telefonisch angekündigte Mail mit einem PDF-Anhang, angeblich der Lieferschein. Er öffnete ihn und damit wurde eine Schadsoftware installiert. Der Türöffner für den Cyberkriminellen. Denn ab jetzt kann er auf seinem Computer mitschauen, wenn sich der Treuhänder beim E-Banking der ZKB anmeldet. Er kommt so an sämtliche Login-Daten und Passwörter.
Damit verschaffte sich der Kriminelle Zugriff auf das Konto. Er registrierte ein eigenes Mobiltelefon. So kann er den Verifizierungsprozess selbst erledigen. Davon bemerkten Wirt und Treuhänder nichts.
Money Mules waschen das Geld
Der Kriminelle plünderte das Konto des Wirts. Er schickte Gelbeträge auf Privatkonti von fünf Personen in der Schweiz. Zehn Tranchen innert zehn Tagen. Insgesamt 113'640 Franken. Diese Geldempfänger nennt man Money Mules, Geld-Maultiere. Ihre Aufgabe ist es, die Spur des Geldes zu verwischen. Sie heben es ab und schicken es dem Cyberkriminellen: per Bitcoin, Post oder Überweisung.
«Es gibt Money-Mule-Recruiting-Seiten im Internet», sagt Staatsanwalt Stephan Walder. «Da werden Immobilien-Finanzagenten gesucht, ihre angebliche Aufgabe sei die Verschiebung von Kautionen von Expats. Das ist der Vorwand, um zu erklären, warum plötzlich so viel Geld auf dem Privatkonto ist.» Der Arbeitsvertrag sei relativ authentisch, alles online. Die Personen müssen ihr eigenes Konto als Geschäftskonto zur Verfügung stellen. «Das sind Dinge, die an der Rechtmässigkeit des Jobangebots zweifeln lassen müssen.» Die Tätigkeit sei Geldwäscherei und strafbar.
Geld ging per Briefpost nach Russland
Der «Kassensturz»-Journalistin gelang es, mit einem der Money-Mules zu telefonieren. Er erzählt, mit dem Auftraggeber habe er per Email kommuniziert – wegen Corona. Seine Aufgabe sei gewesen, Geld für Immobilien zu verschieben. Mehrmals habe er nachgefragt, ob das legal sei. Er musste das Geld auf seinem Konto abheben und in einem Couvert nach Russland schicken. Er sagt, dafür habe er nie Lohn erhalten, die Auftraggeber seien plötzlich nicht mehr erreichbar gewesen.
Als der Wirt und seine Tochter erfuhren, dass das Konto geplündert wurde, suchten sie Hilfe. Doch niemand unterstützte sie. Alle würden behaupten, es gebe kein Problem mit dem Onlinebanking. Und jetzt, wo es doch eins gebe, helfe ihm niemand, erzählt der Wirt. Die Löhne bezahlte er schlussendlich von seinem Privatkonto.
Als sich «Kassensturz» einschaltet, geht es schnell und eine Lösung ist auf dem Tisch. Der Wirt bekommt das Geld zurück. Wie genau und warum es so lange gedauert hat, das sagen Bank und Treuhänder nicht.