Das Smartphone fällt zu Boden, die Waschmaschine steigt aus. Der Hersteller der Waschmaschine schickt einen Monteur vorbei, das Handy bringt man in den Laden. In beiden Fällen lautet die Diagnose: Eine Reparatur lohnt sich nicht, kaufen Sie besser ein neues Gerät!
Verunsichert fragt man sich: Stimmt der Befund oder wollen die mir bloss etwas verkaufen? Weil niemand ausser dem Hersteller das Gerät flicken kann, hat man keine Wahl und kauft ein neues Gerät. Das kostet nicht nur Geld, es belastet auch die Umwelt.
Neue Regeln in der EU
Eine internationale Bewegung will das ändern und fordert seit Jahren ein «Recht auf Reparatur».
Am Anfang waren es Computer-Nerds, die sich darüber ärgerten, dass sie ihre Geräte nicht selber flicken oder erweitern können. Sie fordern von den Herstellern Reparaturanleitungen und den Zugang zu Ersatzteilen, bis vor kurzem keine Selbstverständlichkeit. Seit März müssen die Hersteller von bestimmten Geräten in der EU aber genau diese Forderungen erfüllen. Digitale Geräte wie Smartphones oder Notebooks sind davon nicht betroffen. In den USA will Präsident Joe Biden die Technologie-Konzerne mit einem Erlass in die Pflicht nehmen.
Für die Mehrheit der Schweizer Politikerinnen und Politiker ist das «Recht auf Reparatur» kein Thema. Raffael Wüthrich, Leiter Nachhaltigkeit und Energie bei der Stiftung für Konsumentenschutz, bedauert das und warnt vor möglichen Folgen: «Wenn die EU höhere Anforderungen an Geräte stellt, kann das dazu führen, dass die Schweiz mit minderwertigen Produkten überflutet wird. Die Schweiz muss jetzt schnell nachziehen.»
Um etwas gegen die Verschwendung zu unternehmen, lancierte der Konsumentenschutz sogenannte Repair-Cafés: An mehr als 170 Treffpunkten in der ganzen Schweiz kann man defekte Geräte von Reparaturprofis flicken lassen. Für Raffael Wüthrich stehen aber vor allem auch die Unternehmen in der Verantwortung: «Hinter einer Wegwerfgesellschaft steht auch eine Wegwerfwirtschaft», so der Spezialist für Nachhaltigkeit.
Sparpotenzial hat die Industrie
Ganz ähnlich sehen das auch Torbjörn Netland und Clemens Gróf von der ETH. Der Professor für Production- und Operations-Management und sein Doktorand wollen herausfinden, wie man die Industrie in eine Kreislaufwirtschaft umbauen kann. Torbjörn Netland erklärt, was das bedeutet: «Zuerst kann man probieren, die Geräte zu reparieren, um sie wieder zu verkaufen. Wenn das nicht möglich ist, kann man einzelne Teile aus einem Gerät in andere einbauen. Und wenn das nicht geht, kann man einzelne Rohstoffe zurückgewinnen».
Die Bewegung «Recht auf Reparatur» sei sinnvoll, so der Wissenschaftler, doch das ganz grosse Sparpotenzial sieht er bei der Industrie - und nicht zu Hause auf dem Küchentisch. Der Wissenschaftler ist überzeugt, dass die Industrie den Übergang zur Kreislaufwirtschaft schaffen kann.
Weg vom Besitz
Doch wie bringt man den Hersteller eines Smartphones oder einer Waschmaschine dazu, ein defektes Gerät zu reparieren, statt einem gewinnbringender ein neues zu verkaufen?
Clemens Gróf verweist auf die Luftfahrt: Statt ein Triebwerk zu kaufen, bezahlen die Fluggesellschaften dem Hersteller eine Gebühr für jede Betriebsstunde. Der Hersteller hat deshalb ein grosses ein Interesse, ein defektes Produkt wenn immer möglich zu warten.
Das Geschäftsmodell lässt sich auch auf Endkonsumenten übertragen: Gut möglich, dass wir in Zukunft für jeden Waschgang einen kleinen Betrag bezahlen, statt eine Maschine zu kaufen.