Ein ganz normaler Abend bei Ikea in Spreitenbach. Während die letzten Kundinnen und Kunden an der Kasse bezahlen, fahren die Gabelstapler an die Ladestationen zurück. Den ganzen Tag über haben sie Paletten ins Hochregallager eingeräumt oder verschoben.
Jeden Tag treffen hier rund ein Dutzend Lastwagen ein. Sie sind vollgepackt mit Produkten auf Paletten. 5000 davon müssen die Mitarbeitenden pro Woche in den bis zu acht Meter hohen Lager-Regalen einsortieren.
«Unsere Stapelfahrerinnen und -fahrer sind Spitze!», sagt Logistik-Chef Helge Nilsson. Sie seien aber auch nur Menschen, die Fehler machten, fügt der Schwede an. Sie verwechseln Paletten oder platzieren diese an einem falschen Ort. Resultat: Die Datenbank des digitalen Lagerverwaltungssystems stimmt nicht mehr überein mit der Wirklichkeit. Das führt dann zu aufwändigen Such- und Aufräum-Aktionen.
Online-Trend hat Situation verschärft
Für Ikea sind falsch parkierte Produkte im Lager schon lange ein Problem. Der Trend zum Onlinehandel machte in den letzten zwei Jahren alles noch brisanter, denn heute sehen auch Kundinnen zu Hause, ob ein Produkt an einem bestimmten Ort verfügbar ist. Wenn der Kunde dann im Laden erfährt, dass seine Erwartung nicht stimmt, ist die Enttäuschung gross.
Das Möbelhaus versucht deshalb schon lange, die Fehlersuche im Lager zu automatisieren, erzählt Helge Nilsson. Gelungen ist das in der Schweiz zum ersten Mal mit Drohnen und der Technologie des Startups Verity, einem ETH Spin-off.
Vom Pilotprojekt zum Normalbetrieb
Seit einigen Monaten fliegen nun jeden Abend nach Ladenschluss in fünf der neun Lagerhäuser von Ikea Schweiz jeweils bis zu acht autonome Drohnen die Lager ab und kontrollieren, ob alle Paletten, die tagsüber verschoben wurden, noch am richtigen Ort stehen. Die fliegenden Roboter finden den Weg dank eines «Einsatzplans» selbständig und wenn die Batterie nach rund 15 Minuten zur Neige geht, fliegen sie selbst zur Ladestation zurück.
Immer sonntags überprüfen die Drohnen dann alle 6200 Paletten. So weiss Helge Nilsson am Montag genau, wie es um sein Lager steht. Als er zum ersten Mal so einen detaillierten und genauen Lagerbestand in den Händen hielt, der mithilfe der Drohnen zusammengetragen wurde, konnte es der langjährige Logistikexperte kaum glauben: Es war, wie wenn ein Traum in Erfüllung ging!
Kommt nun die Invasion der Inventar-Drohnen?
So erfolgreich sie bei Ikea ihre Arbeit verrichten: Drohnen werden sich nicht in sämtlichen Lagerhäuser ausbreiten. Sinnvoll ist ihr Einsatz nur in Lagern, in denen viele Arbeiten manuell erledigt werden, von Menschen. Sie werden dabei unterstützt von Software, die alle Produkte im Lager kennt und weiss, wo diese stehen – aber eben nur, wenn die fehlerfrei und genau erfasst sind. Hier können Drohnen eine wertvolle Ergänzung sein.
Bei der Digitalisierung von Warenhäusern werden Drohnen aber eher eine marginale Rolle spielen, da die Lager immer autonomer werden. In den sogenannten «Dark Warehouses» wird niemand mehr arbeiten und eine Inventarisierung durch Menschen oder Drohnen sind nicht mehr nötig, weil das Lager immer die korrekten Daten über seinen «Inhalt» hat.