Die Raumsonde «Solar Orbiter» hat kein halbes Jahr nach ihrem Start erste Bilder von der Sonne geschickt. Ermöglicht hat dies auch ein Teleskop der Fachhochschule Nordwestschweiz. Projektleiter Samuel Krucker erklärt, was dieser Exploit für die Wissenschaft und den Standort Schweiz bedeutet.
SRF News: Was ist speziell an den jüngsten Bildern der Sonne?
Samuel Krucker: Die Bilder haben die höchste Auflösung, die wir bisher erreichen konnten. Das hat damit zu tun, dass wir Teleskope haben, die wesentlich näher bei der Sonne sind, als die Instrumente im Orbit der Erde.
Und was ist genau zu sehen auf diesen Bildern?
Man sieht Details der Sonnenoberfläche, aber auch der Sonnenatmosphäre. Die Sonne ist mehrere Millionen Grad heiss und hat ein starkes Magnetfeld. Man sieht heisses Gas, das teilweise im Magnetfeld der Sonne gefangen ist. Deshalb formt das schöne magnetische Bögen. Und wir sehen, wie die Zeitevolution stattfindet: Alles brodelt und verändert sich ständig.
Was erhofft sich die Wissenschaft von diesen Aufnahmen?
Sie zeigen uns die zeitlichen Veränderungen, wie geheizt wird. Es ist nämlich immer noch nicht klar, warum die Sonnenatmosphäre so heiss ist. Eine Theorie sagt, dass ganz viele kleine Eruptionen diese Energie freisetzen.
Dass man solche Teleskope in der Schweiz bauen kann, zeigt, dass die Fachhochschulen auch einen Beitrag zur Wissenschaft leisten können.
Mit den neuen hochaufgelösten Bildern sehen wir auch ganz kleine Eruptionen. Diese nennen wir «Camp Fires» oder Lagerfeuer; kleine Orte, an denen magnetische Energie verbrannt wird. Wir wollen wissen: Wie viele davon gibt es? Wird da genug Energie freigesetzt, um die Korona zu heizen?
Die Fachhochschule Nordwestschweiz ist mit einem Röntgenteleskop am Projekt beteiligt. Welche Rolle spielt es bei dieser Mission?
Röntgenstrahlen werden nur produziert, wenn es sehr heiss wird. Mit einem Röntgenteleskop kann man ins Herz einer Eruption hineinschauen, wo die meiste Energie freigesetzt wird, wo es am heissesten wird. Darum ist das ein sehr gutes Instrument, um zu verstehen, wie diese magnetische Energie in der Atmosphäre umgesetzt wird in Hitze. Das sind wichtige Messungen.
Was bedeutet es für den Wissenschaftsstandort Schweiz, dass die Fachhochschule Nordwestschweiz an dem Projekt beteiligt ist?
Es ist natürlich eine grosse Chance für die Fachhochschule, an so einem prominenten Projekt mitzumachen. Mit ihrem Ingenieur-Hintergrund kann sie dazu beitragen, solche Instrumente zu bauen und auch zu betreiben. Dass man solche Teleskope in der Schweiz bauen kann, zeigt, dass die Fachhochschulen auch einen Beitrag zur Wissenschaft leisten können.
Wir sind begeistert, dass alle Instrumente funktionieren.
Es ist ein europäisches Projekt, an dem aber auch die Nasa beteiligt ist. Wie muss man sich die Zusammenarbeit vorstellen?
Man kann so ein Instrument nur bauen, wenn man international kooperiert. Das beginnt schon beim Sammeln von Mitteln. Da braucht es immer die Unterstützung von mehreren Ländern, denn diese Projekte sind teuer. Man braucht auch die Expertise aus verschiedenen Ländern, um das Instrument so zu bauen, dass es der Wissenschaft die Daten liefert, die sie braucht.
Sie haben vor zehn Jahren mit dem Projekt begonnen. Was sind die nächsten Schritte bei dieser Mission?
Die Mission wird mindestens sechs Jahre fliegen. Wir haben jetzt die Phase vor uns, in der wir Daten kriegen und auswerten können. Eine der Aufgaben ist es, die Daten so bereitzustellen, dass andere Wissenschaftler sie auch brauchen können. Wir sind begeistert, dass alles funktioniert. Wir haben viel Arbeit vor uns, um diese Daten anzuschauen und dann zu interpretieren.
Das Gespräch führte Manuel Ramirez.