Das Rätsel namens Corona: im gleichen Haushalt erkrankten schon Vater und Tochter ziemlich stark, die Mutter und der Sohn hatten nichts. Bis jetzt war unklar, warum die einen gar keine Symptome entwickeln, und andere auf der Intensivstation landen.
Nun bringt eine gross angelegte Genetik-Studie mit Daten von 50'000 Corona-Kranken aus 19 Ländern Licht ins Dunkel. Wie das Fachmagazin «Nature» berichtet, entscheidet nicht zuletzt das Erbgut, ob eine Person überhaupt an Corona erkrankt und falls ja, wie schwer. SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel ordnet die Ergebnisse ein.
SRF News: Sind Sie von den Erkenntnissen der Genetik-Studie erstaunt?
Katrin Zöfel: Nein. Das Rätselhafte bei Corona ist, dass manche sehr schwer erkranken und andere wiederum gar nicht. Dafür muss es Gründe geben. Und dass manches in der Genetik begründet liegt, ist naheliegend.
Aus solchen Studien bekommt man Hinweise darauf, wie die Krankheit grundsätzlich funktioniert.
Was hat die Studie aufgezeigt?
Das Forscherteam hat geprüft, ob Patienten, welche schwer erkranken, sich im Erbgut von anderen unterscheiden. Also welche, die kaum krank werden oder sich gar nicht erst infizieren. Die Forscher haben 13 Stellen im Erbgut gefunden, die unter den Schwerkranken anders waren. Schaut man sich diese 13 Stellen an, wird es interessant: Eine zum Beispiel beeinflusst wahrscheinlich, wie häufig jemand ein ganz bestimmtes Molekül im Körper hat: das ACE-Molekül. Wer weniger von diesem Molekül hat, wird offenbar weniger leicht infiziert. Eine andere Stelle beeinflusst, wie sich bestimmte Immunzellen, die T-Zellen, nach einer Infektion verhalten. Eine dritte Stelle liegt nahe an einer anderen zentralen Schaltstelle im Immunsystem, welche mitbestimmt, wie Entzündungs-Prozesse verlaufen.
Im Nachhinein Muster zu finden ist leichter als solide Marker für eine saubere Vorhersage zu machen.
Lässt sich mit diesen Erkenntnissen voraussagen, wie der Verlauf einer Infektion wird?
Das Ganze umzudrehen ist schwierig. Etwas salopp gesagt: Hinterher ist man immer schlauer. Im Nachhinein Muster zu finden ist leichter als solide Marker für eine saubere Vorhersage zu machen. Zudem sind auch andere Faktoren entscheidend: Männer oder Menschen mit Übergewicht sind bei Corona stärker gefährdet. Das Alter ist nach wie vor einer der wichtigsten Risikofaktoren. All diese zusätzlichen Faktoren machen das Bild etwas unübersichtlicher.
Lassen sich aus den Erkenntnissen allenfalls neue Medikamente entwickeln?
Aus solchen Studien bekommt man Hinweise darauf, wie die Krankheit grundsätzlich funktioniert. Diese Erkenntnisse kann man nutzen. Eine der grossen klinischen Studien, die Recovery-Trial in Grossbritannien zum Beispiel, nutzt solches Wissen, um zu entscheiden, welche Medikamente sie ausprobieren wollen und welche nicht. Das erhöht die Chancen, dass sie das Richtige ausprobieren und Erfolg haben.
Haben Sie ein konkretes Beispiel dafür?
Ein Beispiel wären die ACE-Hemmer. Die aktuelle Studie gibt einen Hinweis darauf, dass es sich lohnen könnte, hier genauer hinzuschauen. Manche Firmen versuchen in diesem Bereich etwas zu entwickeln, was dann später in klinischen Studien zur Verwendung kommen könnte.
Wer ist der Auftraggeber dieser neuen Studie?
Das ist ein grosser, eher loser Zusammenschluss namens «Covid-19 Host Genetics Intiative». Den gibt es seit März 2020, mit dabei sind renommierte Forscherteams von Universitäten und Privatfirmen, welche Gentests vertreiben.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.