Der Lachs kommt zurück in unsere Gewässer. Fast 50 Jahre lang war der Zugang von der Nordsee in Richtung Rhein praktisch hermetisch abgeriegelt. Das soll sich nun ändern. Dank dem Lobbying von Umweltorganisationen werden die Tore des Schleusenkomplexes Haringvliet südlich von Rotterdam um ein paar Zentimeter geöffnet.
Dort beobachtet Ted Sluijter mit seinem Feldstecher ein paar Seeschwalben, die hoch über dem Schleusenkomplex ihre Kreise ziehen. In ein paar Jahren werde diese längliche Bucht vor der Schleuse ein internationaler Vogelkreuzpunkt, freut sich der Förster im Dienst der niederländischen Umweltschutzorganisation «Naturmonumente».
Die Haringvliet-Schleuse ist ganze fünf Kilometer lang. Der graue Komplex mit den 17 imposanten Schleusentoren schliesst das Rotterdamer Hinterland hermetisch von der Nordsee ab. Er ist Unterbau der «Deltawerke». Damit werden jene gigantischen Schleusen und Wehre bezeichnet, die dafür sorgen, dass der Südwesten der Niederlande trocken bleibt.
«Die Vögel, die hier haltmachen, brüten in Sibirien und überwintern in Afrika. Das ist die Nord-Süd-Route», erklärt Vogelkenner Ted Sluijter. Aber die Ost-West-Route, diese Verbindung für die Fische habe es nicht mehr gegeben: «Und die stellen wir mit dem Öffnen der Schleuse wieder her, damit ein internationaler Kreuzpunkt entsteht. Denn mehr Fische ziehen automatisch mehr fischfressende Vögel an.»
Wenn Ted Sluijter von «wir» spricht, meint er die fünf Umweltorganisationen sowie die staatliche Forstverwaltung, die sich seit 18 Jahren für eine kleine Öffnung der Schleusentore stark machen. Denn damals, bei der Eröffnung der Deltawerke, spielte die Umwelt keine Rolle. Die weltweit einzigartigen Bauten waren die Antwort der niederländischen Wasserbau-Ingenieure auf die verheerende Flutkatastrophe von 1953, bei der mehr als 1800 Menschen ertranken und mehr als 100'000 Personen Haus und Hof verloren.
Umdenken nach der Katastrophe
Die 1800 Toten hätten eine tiefe Narbe hinterlassen, sagt der 62-jährige Umweltschützer: «So etwas sollte nie wieder passieren können.» Deshalb habe damals einzig die Sicherheit im Vordergrund gestanden. Sicherheit steht noch immer an oberster Stelle, aber Umweltaspekte spielen heute auch eine Rolle.
Inzwischen gibt es ein Gesetz, das die Öffnung der Haringvliet-Schleuse ermöglicht. Die Trinkwasserentnahme wurde flussaufwärts verlegt, und fast alle Bauern sind mittlerweile überzeugt, dass ihre Felder keinen Schaden nehmen werden, wenn demnächst salziges Wasser durch die kleine Öffnung der Schleusentore, rund sechs Kilometer flussaufwärts, strömt.
So ist auch diese Hürde genommen, damit Lachse, Störe und andere Zugfische in Schweizer Bergbächen laichen können. Für Ted Sluijter ist es ein historischer Moment. Der genaue Zeitpunkt der Öffnung hängt mit dem Wasserstand des Rheins zusammen.
Durch die sommerliche Trockenheit ist dieser noch sehr tief. Sobald er einen normalen Pegelstand erreicht hat, werden die Schleusentore ein paar Zentimeter weit geöffnet – voraussichtlich Ende Oktober oder Anfang November dürfte dies der Fall sein.