- Der Friedensnobelpreis 2021 geht an die beiden Journalisten Maria Ressa und Dmitri Muratow.
- Sie werden für die Wahrung der Meinungsfreiheit auf den Philippinen und in Russland ausgezeichnet, teilt das norwegische Nobelkomitee am Freitag mit.
Mit der Auszeichnung ehre man die beiden Journalisten «für ihren mutigen Kampf für das Recht auf freie Meinungsäusserung auf den Philippinen und in Russland», sagte Berit Reiss-Andersen, Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, am Freitag. Diese Bemühungen seien eine Voraussetzung für Demokratie und dauerhaften Frieden.
Man übergebe ihnen den Friedensnobelpreis «stellvertretend für alle Journalistinnen und Journalisten, die dieses Ideal verteidigen – in einer Welt, in der Demokratie und Pressefreiheit immer schlechteren Bedingungen ausgesetzt sind».
Dmitri Muratow (59) war massgeblich an der Lancierung der unabhängigen russischen Zeitung «Nowaja Gasjeta» beteiligt und ist der Chefredaktor des kremlkritischen Mediums.
Luzia Tschirky: «Anerkennendes Zeichen für demokratische Russen»
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Es ist ein symbolträchtiges Datum, zu welchem Dmitri Muratow, dem Chefredaktor der «Nowaja Gasjeta», der Friedensnobelpreis verliehen wird: einen Tag, nachdem der Mord an seiner ehemaligen Redaktionskollegin Anna Politkowskaja verjährt ist, erklärt SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky.
Das Nobelpreiskomitee begründet die Verleihung des Preises an Muratow unter anderem damit, dass er trotz des Mordes an insgesamt sechs Journalistinnen und Journalisten der «Nowaja Gasjeta» an den journalistischen Prinzipien festgehalten habe.
Zeitung vertritt Werte von Gorbatschows Öffnungspolitik
Mit Muratow wird einem Vertreter der Perestroika-Generation Russlands die Auszeichnung zuteil. Die «Nowaja Gasjeta» gehört zu einem beträchtlichen Anteil dem ersten Staatspräsidenten Russlands, Michail Gorbatschow.
Seit ihrer Gründung vertritt die Zeitung die Werte der Öffnungspolitik unter Gorbatschow, die er noch in seiner Funktion als Generalsekretär der Kommunistischen Partei in den 80er-Jahren eingeleitet hatte. Unter Wladimir Putin wurden diese Vertreter der russischen Gesellschaft immer stärker in die politische Bedeutungslosigkeit gedrängt.
Angesichts der aktuellen Repressionswelle gegenüber unabhängigen russischen Medien ist der Friedensnobelpreis ein anerkennendes Zeichen für alle demokratisch orientierten Russinnen und Russen.
Putin dürfte mit Schulterzucken reagieren
Präsident Putin dürfte auf die Auszeichnung aus dem Westen mit Schulterzucken reagieren. So hat Putin wenige Tage nach der Ermordung von Anna Politkowskaja öffentlich gesagt, ihr Einfluss auf die Innenpolitik des Landes sei minimal. Nicht erwähnt hat Wladimir Putin dabei, dass er persönlich dafür gesorgt hatte. Die Verleihung an Muratow ist ein klar politisches Statement gegen den Kreml-Chef.
Es bleibt zu hoffen, dass unabhängige russische Journalistinnen und Journalisten von weniger bekannten Medien ausserhalb der Hauptstadt Moskaus nicht ganz vergessen gehen.
Muratow ist der erste Russe seit gut 30 Jahren, der den Friedensnobelpreis erhält. 1990 wurde der frühere sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow mit dem Preis für sein Mitwirken am Ende des Kalten Krieges geehrt.
Wir werden versuchen, Leuten zu helfen, die jetzt als Agenten eingestuft sind.
Dmitri Muratow will die Geldprämie für die Entwicklung des unterdrückten Journalismus in seinem Land einsetzen. «Wir werden versuchen, Leuten zu helfen, die jetzt als Agenten eingestuft sind, die jetzt drangsaliert und aus dem Land vertrieben werden», sagte der frisch gekürte Friedensnobelpreisträger gegenüber dem unabhängigen Portal Meduza, das ebenfalls als «ausländischer Agent» eingestuft ist.
Erste Frau, die heuer einen Nobelpreis erhält
Maria Ressa (58) hat 2012 das Online-Medium Rappler mitgegründet. Das Nachrichtenportal machte sich mit seinem investigativen Journalismus einen Namen. Dazu gehören kritische Berichte über den philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte und über den tödlichen Krieg gegen Drogen.
Als Ressa von der Auszeichnung erfuhr, lautete ihre erste Reaktion: «Ich stehe unter Schock.» Sie sei überwältigt von der Entscheidung, sagte die Journalistin in einer Stellungnahme auf dem Nachrichtenportal Rappler. «Ich denke, das zeigt, dass das Nobelpreiskomitee realisiert hat, dass eine Welt ohne Fakten eine Welt ohne Wahrheit und Vertrauen bedeutet.»
Ich stehe unter Schock.
Maria Ressa ist heuer die erste Frau, die mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wird.
Verleihung am Todestag von Alfred Nobel
Im vergangenen Jahr ging der Preis an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, das damit unter anderem für seinen Kampf gegen den Hunger in der Welt geehrt wurde.
Wie im Vorjahr sind die Nobelpreise wieder mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund eine Million Schweizer Franken) pro Kategorie dotiert. Der Friedensnobelpreis gilt als die renommierteste politische Auszeichnung der Welt. Verliehen wird die Auszeichnung traditionell am 10. Dezember – dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896).
Namen der Nominierten bleiben 50 Jahre geheim
329 Kandidaten – 234 Persönlichkeiten und 95 Organisationen – sind diesmal nominiert worden. Das ist die drittgrösste Zahl an Nominierten überhaupt. Die Namen der Nominierten werden traditionell 50 Jahre lang geheimgehalten.
Die Friedensnobelpreisträger seit 2011
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2020: Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen für seine Bemühungen zur Bekämpfung von Hunger, seinen Beitrag zur Verbesserung der Bedingungen für den Frieden in Konfliktgebieten und als treibende Kraft bei den Bemühungen, den Einsatz von Hunger als Waffe in Kriegen und Konflikten zu verhindern.
2019: Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed für seine Bemühungen für Frieden und internationale Zusammenarbeit und vor allem für seine Initiative zur Lösung des Grenzkonflikts mit dem Nachbarland Eritrea.
2018: Denis Mukwege (Kongo) und Nadia Murad (Irak) für ihren Einsatz gegen sexuelle Gewalt als Waffe in Kriegen und bewaffneten Konflikten.
2017: Die Internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (Ican) für ihre Bemühungen, die Aufmerksamkeit auf die katastrophalen Folgen des Gebrauchs von Atomwaffen zu richten sowie ihren bahnbrechenden Einsatz für einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen.
2016: Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos für seine entschlossenen Bemühungen, den mehr als 50 Jahre währenden Bürgerkrieg in seinem Land zu beenden.
2015: Das Quartett für den nationalen Dialog in Tunesien für seinen entscheidenden Beitrag zum Aufbau einer pluralistischen Demokratie in Tunesien nach der sogenannten Jasmin-Revolution 2011.
2014: Malala Yousafzai (Pakistan) und Kailash Satyarthi (Indien) für ihren Kampf gegen die Unterdrückung von Kindern und jungen Leuten sowie für das Recht aller Kinder auf Bildung.
2013: Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) für ihren Einsatz gegen die weltweit geächteten Massenvernichtungswaffen.
2012: Die Europäische Union (EU) für ihren mehr als sechs Jahrzehnte währenden Beitrag für Frieden, Demokratie und Menschenrechte in Europa.
2011: Ellen Johnson-Sirleaf und Leymah Gbowee (beide Liberia) sowie Tawakkul Karman (Jemen) für den gewaltfreien Kampf zur Stärkung der Rechte von Frauen.
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SRF 4 News, 08.10.2021, 11:30 Uhr
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