Geschlossene Läden und Restaurants. Menschen, die in grauen Anzügen und mit Maske aufs Tram warten. Sobald es dunkel wird, macht sich eine gespenstische Leere breit: keine Konzerte, keine Kinos, kein Theater.
Die Pandemie hat das urbane Leben zum Stillstand gebracht. Nicht nur Bern, Zürich oder Genf haben sich in Geisterstädte verwandelt. Weltweit herrscht urbane Tristesse.
Alles anders nach Corona?
Während Städter hierzulande die Skier schultern und in die Berge flüchten, fragen sich Shutdown-geplagte Bewohner in London, Paris oder New York, ob das Leben auf dem Land vielleicht das bessere ist.
Folgt auf den Coronaschock die grosse Stadtflucht? Der Städteforscher Stefan Siedentop glaubt zwar, dass das Landleben an Attraktivität gewinnt. «Das wird aber kein Massenphänomen sein.» Für viele Menschen blieben Städte anziehend – auch nach der Pandemie.
Denn, so die hoffnungsvolle Botschaft aus einem langen Winter im Shutdown: Es gibt ein Leben nach Corona. Auch in der Stadt. «Es wird ein soziales Leben, das wir nicht mehr als bedrohlich wahrnehmen, wie derzeit im öffentlichen Nahverkehr.»
Neues Gesicht des Innenstädte
Der Forscher von der Universität Stuttgart ist überzeugt, dass wir die Qualitäten des Stadtlebens bald wieder wahrnehmen. «Die kurzen Wege zu Läden und Versorgungseinrichtungen, die breite Auswahl an Kultur, das Erleben von Diversität, des Fremden, das für viele Menschen reizvoll ist.»
Wird die Pandemie also an den Städtern vorbeiziehen, wie ein böser Traum, der sich verflüchtigt? «Ganz bestimmt nicht», sagt Siebentop. «Die Städte werden sich ein Stück weit neu erfinden müssen.» Und: Das Gesicht der Innenstädte werde sich nachhaltig verändern.
Der Online-Boom beschleunigt den Rückzug des Einzelhandels. Und während viele Unternehmen Homeoffice vor der Pandemie skeptisch begegneten, hat es sich nun in Windeseile durchgesetzt – ganze Bürokomplexe wurden regelrecht entvölkert.
«Das kann eine Chance für mehr Urbanität und gemischtere Innenstädte sein», sagt Siebentop. So zum Beispiel im Immobiliensektor: Laut Schätzungen könnte ein Drittel der Büroflächen auch nach der Pandemie leer bleiben.
Wo sich vorher zahlungskräftige Unternehmen einmieteten, könnte damit Wohnraum entstehen. «Es gibt weltweit tolle Beispiele, wie man leerstehende Bürotürme für attraktives Wohnen in städtischen Zentren nutzen konnte.» Auch für Kultur und Soziales könnte sich neuer Raum bieten.
«Die Chancen können aber nur genutzt werden, wenn kluge, mutige Kommunalpolitik die richtigen Stellschrauben bedient», sagt der Experte für Stadtentwicklung.
Die Krise als Neustart
Konzerne und der Einzelhandel sind jedoch auch gute Steuerzahler. Ihr Teil-Rückzug könnte die klammen Kassen der Städte nach der Krise zusätzlich belasten. «Die nächsten Jahre werden fiskalisch extrem herausfordernd», räumt Siebentop ein. «Doch ich glaube an die an ökonomische Zukunft der Städte.»
So seien in den letzten zehn, fünfzehn Jahren die meisten der gut bezahlten Arbeitsplätze für Hochqualifizierte in den Städten entstanden. «Das wird auch in Zukunft so sein. In einer immer stärker wissensgeprägten Ökonomie haben die grossen Städte einen enormen Wettbewerbsvorteil.»
Vom fiskalischen Schock durch die Coronakrise könnten sich die Kommunen also bald wieder erholen, glaubt Siebentop. Sein Fazit: Corona sei eine beispiellose Erfahrung – aus der Krise kann aber neues entstehen.