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Panorama Hitzlsperger: «Homophobe haben nun einen Gegner mehr»

Homosexualität ist im Profifussball tabu. Die Welt des Fussballs wird von Machos geprägt. Nun hat sich einer dieser Machos geoutet: Der deutsche Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger ist schwul. Er will damit einen Stein ins Rollen bringen. Experten zweifeln nicht an der Wirkung.

Das Coming-out von Thomas Hitzlsperger, ehemaliger deutscher Fussball-Nationalspieler, stösst auf ein überwältigendes Medienecho. Die internationale Presse zollt dem Fussballer grossen Respekt.

Auch von anderen Fussballern erhält Hitzlsperger Lob. «Zum Glück verändert sich die Welt immer mehr. Die Akzeptanz für Homosexuelle steigt. Ich kann diesen Weg nur begrüssen», kommentiert Ex-Profifussballer Ronaldo aus Brasilien den Schritt.

Zwar ist Hitzlsperger nicht der erste Fussballer, der sich outet. Doch er ist der bekannteste und der erfolgreichste. Hitzlsperger spielte 52 Mal für Deutschland. Er gewann mit Stuttgart 2007 die deutsche Meisterschaft und spielte auch in Italien und England bei Topteams.

Der ‹schwule Pass› traf auf mich nicht zu. Ich war bekannt für einen harten Schuss und ein gutes Passspiel.
Autor: Thomas Hitzlsperger Ex-Profifussballer

In einer Videobotschaft auf seiner Homepage spricht Hitzlsperger über seine Situation. Es sei ein langwieriger Prozess gewesen, bis ihm gedämmert habe, dass er Gefühle für Männer habe, sagt Hitzlsperger, der vor einigen Jahren eine achtjährige Beziehung zu einer Frau kurz vor der Hochzeit beendet hatte. Doch jetzt, nach seinem Karrierenende, beginne eine neue Lebensphase, und die Zeit sei reif, um über seine Homosexualität zu sprechen.

«Junge Spieler, die sich vielleicht früher im Klaren sind über ihre Neigungen, können heute darüber sprechen, weil sie auch an meinem Beispiel sehen, dass man sowohl homosexuell sein kann als auch ein erfolgreicher Profifussballspieler», sagt der 31-Jährige.

Ich kenne keinen einzigen homosexuellen Profifussballer persönlich.
Autor: Thomas Hitzlsperger Ex-Profifussballer

Natürlich gäbe es viele homophobe Sprüche im Sport. «Doch ich konnte auch mitlachen, wenn ein Witz gut war.» Oft sei ein schwacher Pass mit «schwul» umschrieben worden. «Doch das das traf auf mich nicht zu, denn ich war bekannt für einen harten Schuss und ein gutes Passspiel, und deswegen ist es ein ganz klarer Widerspruch, über den ich im Nachhinein aber eigentlich immer schmunzeln konnte», erzählt Hitzlsperger.

Für seine Familie und sein Umfeld sei es unwichtig, dass er über seine Homosexualität spreche. «Wichtig ist es nur für Leute, die homophob sind, andere auszugrenzen aufgrund ihrer Sexualität», so der Sportler. «Und die sollen wissen: Sie haben jetzt einen Gegner mehr.»

Ich kenne auch schwule Profifussballer in der Schweiz.
Autor: Marcus Urban Ex-Fussballer

Hitzlsperger hofft, eine Wende im Sport auszulösen. Und diese ist dringend nötig. Denn er kennt keinen einzigen anderen Fussballer persönlich, der sich geoutet hätte.

Marcus Urban hingegen kennt viele homosexuelle Profifussballer – auch in der Schweiz. Der Buchautor war früher DDR-Jugendnationalspieler. Seine Karriere hängte er aber wegen seiner Homosexualität an den Nagel.

Ich rechne mit einem Domino-Effekt.
Autor: Marcus Urban Ex-Fussballer

Das Coming-out von Hitzlsperger werde andere anspornen, ist sich Urban sicher. «Als ich mich geoutet habe, habe ich vielen anderen helfen können, sich ebenfalls zu outen. Es hat das Leben gerettet von Leuten, die nicht mehr weitermachten wollten.»

Immer wieder wird Urban heute von Sportlern um Rat gebeten. Die Fälle sind jeweils ganz unterschiedlich. «Was geschickt ist, ist ein Coming-out in Schichten», rät Urban. Dies stärke das Selbstwertgefühl. Urban rechnet nach dem Statement von Hitzslperger mit einem Domino-Effekt.

Ein Coming-out ist immer eine Karrierebremse.
Autor: Mehdi Künzle Pink Cross

Auch die Schweizerische Schwulenorganisation Pink Cross freut sich über das prominente Coming-out. «Nicht viele Sportler haben die Möglichkeit sich zu outen, weil es ist immer eine Karrierebremse», sagt Vorstandsmitglied Mehdi Künzle.

Er führt die allgemeine Homophobie im Sport auf das Klischee zurück, dass Schwule schwächer seien als Heterosexuelle. Es sei für seine Organisation schwierig, den Zugang zu Sportvereinigungen zu finden. Doch schliesslich treffe man immer jemanden mit einem offenen Ohr.

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