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Panorama Kann ein Game Verständnis für das Flüchtlingsdrama wecken?

Millionen Menschen weltweit flüchten vor Krieg und Elend, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Hinter sich haben viele von ihnen eine dramatische Reise. Ein Videospiel will die Odyssee digital erfahrbar machen: quietschbunt, verspielt – und keinesfalls zynisch.

Schon die Musik macht es klar. Was den Gamer da erwartet, ist nicht nur heiteres Spielvergnügen. Und so klingt auch die Geschichte von «Cloud Chasers» eher nach einem Zeitzeugenbericht, als nach einem Computerspiel. Der Bauer Francisco und seine kleine Tochter Amelia müssen aus ihrer Heimat fliehen. Nicht vor Krieg, sondern vor den Auswirkungen des Klimawandels.

Ihr Land ist zu einer Wüste verdorrt, die alles Leben im Keim erstickt. Spiel-Designerin Tabea Iseli sagt: «Das ist der Grund, warum Francisco seine Farm verlassen will. Der Spieler begleitet dann Francisco und seine Familie in ein hoffentlich besseres Leben.»

Rettung in luftiger Höhe

Das bessere Leben befindet sich in den Wolken. Dort liegen verheissungsvolle Städte, in denen zwar nicht Milch und Honig – aber zumindest Wasser fliesst. Fünf Landschaften und Siedlungen müssen Amelia und Francisco auf dem Weg dorthin durchwandern. Doch diese bergen allerlei Gefahren. «Das können Naturereignisse wie Sandstürme oder starke Sonneneinstrahlung sein...Man kann auch auf Banditen oder andere Flüchtlinge treffen», sagt Iseli.

Grosse Hitze, tagelange Fussmärsche, gefährliche Begegnungen – generell, «Flüchtling spielen» –, das könne durchaus Spass machen, so die Spieldesignerin: «Wenn wir Leute beobachten, die das Spiel spielen, geht es sehr schnell, bis die Empathie für die zwei Hauptfiguren da ist.» Umso länger man das Spiel spielt, desto stärker fühlt man sich mit dem Schicksal der beiden Flüchtlinge verbunden – davon sind Tabea Iseli und ihr Team überzeugt.

«Unserer Ansatz war: Von den Flüchtlingen erfährt man bei uns erst, wenn sie an unserer Grenze sind. Wir wollen erzählen, was schon vorher alles passiert sein könnte – das ist eine komplett andere Perspektive auf das Thema», sagt Iseli.

Unterhaltung mit politischem Einschlag

Mit neuen Perspektiven auf politische Themen haben die Zürcher «Blindflug Studios» Erfahrung. In «First Strike», ihrem ersten Video-Spiel, geht es um globales Wettrüsten und einen atomaren Weltkrieg. Das Spiel sorgte international für Aufmerksamkeit und wurde mehrfach ausgezeichnet. Die Ästhetik ist düster, stellt mit ihren Comic-Raketen und den grell-bunten Explosionen nicht den Anspruch, die Realität abzubilden.

Das sei bei «Cloud Chasers» genauso, sagt Tabea Iseli – und zwar bewusst. «Wir möchten das Spiel einem weltweiten Publikum präsentieren. Da die Flüchtlingsthematiken auf der Welt jeweils komplett anders sind, wollten wir uns nicht auf eine Region beschränken.» Die Fantasywelt von «Cloud Chasers» enthält Elemente aus Afrika, Australien und dem Nahen Osten. So sollen sich Gamer weltweit besser mit dem Setting identifizeren können.

Die Empathie des Spielers wecken

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«Zudem möchten wir respektvoll mit dem Schicksal der Flüchtlinge umgehen. Dabei wollen wir aber nicht eine Regierung oder ein bestimmtes politisches Vorgehen kritisieren», so Iseli. Politisch korrektes Gamen also. Aber trotzdem: Nach der Schule oder nach der Arbeit nach Hause kommen und mit einem kühlen Getränk in der Hand Klimaflüchtling spielen – ist das nicht ein bisschen zynisch?

«Ich denke nicht», so die Spieldesignerin. «Wenn man ein Buch liest, einen Film schaut oder eben ein Spiel spielt, ist man so tief in der Geschichte drin, dass man von sich selber denkt, der Protagonist zu sein.» Sich selbst in die Welt der Flüchtlinge versetzen und Mitgefühl empfinden, «ist doch alles andere als zynisch», schliesst Iseli.

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