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Eine Menschenhand greift eine Roboterhand.
Legende: Neue Generation von Robotern: Der zweiarmige Yumi ist für die Kooperation mit Menschen ausgelegt. Laut dem Hersteller lässt er sich leicht «anlernen». Imago

Panorama Kollege Roboter? «Der Mensch ist noch weit überlegen»

Eine neue Generation von Arbeitnehmern soll Fabrikhallen erobern: «Soft Robots» – entworfen, um neben und mit Menschen zu arbeiten. Wie weit ist die Technologie? Was wird sie leisten? Und welche Folgen können solche Roboter für unsere Arbeitswelt haben? Antworten von ETH-Forscher Roland Siegwart.

Zur Person:

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Roland Siegwart, Jahrgang 1959, ist Professor am Institut für Robotik und Intelligente Systeme der ETH Zürich. Als gelernter Maschinenbau-Ingenieur befasst er sich seit vielen Jahren mit Robotern, speziell mit Systemen, die gehen, fahren oder fliegen. Für seine Forschung wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er ist Mitgründer mehrerer Spin-off-Firmen.

SRF Online: Herr Siegwart, YuMi, Baxter und andere Roboter von verschiedenen Herstellern sollen in Zukunft Seite an Seite mit Menschen arbeiten – und sind mittlerweile bezahlbar. Würden Sie sich so ein Gerät in die Küche stellen, um, sagen wir mal, Kartoffeln zu schälen?

Nun ja, diese Robotersysteme sind in ihren Möglichkeiten noch sehr beschränkt. Man ist noch sehr weit weg von dem, was Menschen können – zum Beispiel Kartoffeln schälen. Das wäre nicht ganz einfach umsetzbar.

Welchen Grad an Komplexität hat die Robotik denn erreicht? Obst oder Müll sortieren?

Abfall sortieren könnte eine Anwendung sein. Oder zum Beispiel Gemüse, natürlich unter Aufsicht von Menschen. In einem Haufen Gemüse vom Acker gibt es immer auch Objekte wie Zweige, die für einen Roboter nicht klar erkennbar sind.

Diese neuen Roboter reagieren ja auf Berührungen: Touchiere ich sie, stoppen sie ihre Bewegung. Die Sache wäre also sicher…

Ja, das hat man heute gelöst.

Sie führen ihre Arbeiten aber aus Sicherheitsgründen teils langsamer aus als sie könnten. Lohnt sich das überhaupt? Schliesslich ist die menschliche Hand ja sehr feinfühlig und intelligent.

Ja, ich glaube, es lohnt sich – bei gewissen einfachen Aufgaben wie dem Sortieren von Bauteilen oder der Montage von schweren Stücken, die für Menschen sehr ermüdend ist. Aber insgesamt ist der Mensch natürlich noch weit überlegen.

Bisher sind solche Roboter stationär – sie bewegen nur ihre «Arme», nicht sich selbst. Ist es absehbar, dass es auch bewegliche Systeme gibt, die in Fabrikhallen unterwegs sind?

Auf jeden Fall. Das sind genau die Roboter, die jetzt auf mobilen Plattformen integriert werden, damit sie von einer Arbeitsstation zur anderen fahren können. Das gibt es bisher in Forschungslabors und Entwicklungsabteilungen, aber noch nicht für eine Anwendung in Serienproduktion.

Mal weiter gedacht: Ist es vorstellbar, dass gemischte Teams entstehen: zwei Menschen und vier Roboter?

Genau das ist das Ziel! Und dann könnten die Roboter die einfachen wiederholenden Tätigkeiten übernehmen, der Mensch dagegen die komplexen Arbeiten – und unvorhersehbare Situationen, mit denen Roboter nicht fertig werden. Zum Beispiel, wenn ein Montageteil auf den Boden fällt.

Auch an der ETH Zürich arbeiten Sie an «weichen» Robotern, die sich besser an Menschen anpassen als die gängigen eisernen Monteure. Zum Beispiel ein Vierbeiner (siehe Infobox und Video unten), der sich gefedert fortbewegt…

Projekt «StarlETH»

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Der Vierbeiner wiegt 26 Kilogramm. Er kann rund 10 Kilogramm transportieren – im Lauf oder beim Treppen-steigen. Dank spezieller Federungstechnologie geben die Beine elastisch «nach», so dass er auch auf schwierigem Terrain vorankommt. Weil sich durch die Federung Energie zurückgewinnen lässt, braucht er weniger Strom als hydraulische Systeme.

Ja, solche «Soft Robots» sind Systeme, die nachgiebig sind. Sie haben sehr weiche Kontakte mit der Umgebung, sind deshalb automatisch weniger gefährlich und passen sich der Aufgabe besser an.

Was könnte dieser Vierbeiner dereinst im Alltag leisten?

Er könnte sich zum Beispiel dort bewegen, wo Systeme mit Raupenantrieb nicht mehr weiterkommen. Das fängt schon bei Treppen an. Oder in komplexeren Umgebungen: Aufräumarbeiten in einem havarierten Kernkraftwerk wären auch denkbar.

Die Rechnerleistung hat die Möglichkeiten von Robotern lange beschränkt. Wird sie für solche Anwendungen ausreichen?

Eigentlich sollte sie genügen. Aber die Reduktion der Informationen ist immer noch ein offener Punkt.

Wie meinen Sie das?

Von der reinen Rechenleistung her sind Computer heute mit dem menschlichen Gehirn vergleichbar. Aber unser Hirn hat die Fähigkeit, viele Eindrücke sehr effizient zu vereinfachen. Das können Robotersysteme noch nicht.

Wann wird es denn so weit sein, dass die neuen Roboter unsere Kollegen sind?

Ich denke, der Einsatz in Produktionshallen wird in den nächsten fünf Jahren schrittweise kommen. Aber komplexere Montage-Arbeiten? Das braucht noch länger, so zwanzig Jahre vielleicht, bis solche Systeme ähnliche Fähigkeiten haben wie der Mensch.

Jüngst gab es viele Schlagzeilen um ein Hotel in Japan, das zum grossen Teil mit Robotern betrieben wird: ein Roboter am Empfangs, einer bringt das Gepäck zum Zimmer, … – was halten Sie von so einem Versuch, Kosten zu sparen?

Ob sich damit Geld sparen lässt, kann ich nicht beurteilen. Es geht vielleicht ja auch darum, dass es für Kunden attraktiv und spannend ist. Auf der anderen Seite ist ein Hotel natürlich auch dann gut, wenn es auf Spezialwünsche eingehen kann. Und das können Robotersysteme noch nicht.

Angenommen, die Entwicklung geht wirklich so weiter, wie es kühne Zeitgenossen prophezeien. Muss unsere Gesellschaft sich nicht ernste Gedanken über die Zukunft von Arbeitsplätzen machen?

Ich glaube schon, dass es mit der Automatisierung einen Wandel gibt, bei dem gewisse Arbeitsplätze verloren gehen werden. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass letztlich mehr neue Jobs entstehen werden. Zum Beispiel müssen diese Roboter ja auch gebaut und betrieben werden.

Sie sind unter dem Strich ziemlich optimistisch…

Ja. Dass manche Gruppen der Gesellschaft in einem Umbruch eine gewisse Zeit lang leiden müssen, ist sicher nicht vom Tisch zu weisen. Aber dieser Wandel wird, glaube ich, in nächster Zeit beschleunigt kommen. Und im westlichen Europa gibt es bei den Arbeitsplätzen viel mehr Chancen als Risiken. Speziell die Schweiz könnte da eine Führungsrolle übernehmen.

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