SRF News: Im Flugzeug «Solar Impulse 2» sollen laut der Crew um Bertrand Piccard Innovationen wie etwa phänomenale Dämmstoffe, ultradünne Solarzellen, ein hocheffizienter Motor oder extrem leichte Baustoffen eingebaut sein. Fragt man aber Wissenschaftler, findet sich keiner, der in diesen Elementen eine wirklich Weltneuheit sieht. Haben sie eine entdeckt?
Alfons Hubmann: Die Weltneuheit liegt in der Kombination dieser Elemente. Die Forschungsanstalt EMPA hat inzwischen mit der Uni Zürich noch bessere Solarzellen entwickelt, als im «Solar Impulse» eingebaut sind, aber die Entwicklung des Flugzeugs dauerte rund zwölf Jahre. Die Innovation von «Solar Impulse» ist die Gesamtheit des Projektes, das Zusammenführen der modernen verfügbaren Techniken. Erstmals fliegt ein Flugzeug rund um die Welt, das den Strom ausschliesslich von den eigenen Solarzellen bezieht. Und: Es ist das erste Flugzeug, das ohne Unterbruch mehrere Tage fliegen kann, in der Nacht mit jenem Strom, den es am Tag speichern konnte. Der Mensch ist hier der limitierende Faktor.
Kann irgendeine Erkenntnis aus dem Projekt auf die allgemeine Fliegerei übertragen werden?
Ich habe hier einen Ordner auf meinem Pult stehen. Da sammle ich alles, was es derzeit an innovativen Flugzeugen-Projekten auf der Welt gibt. Mehr als die Hälfte der Flugzeuge in meinem Ordner werden elektrisch angetrieben. Die Erbauer stützen sich alle auf die Erfahrung ihrer Vorgänger. Es geht dabei immer ums gleiche Thema: Wie holt man aus einer möglichst leichten Konstruktion ein möglichst grosse Leistung heraus? Das Flugzeug von Piccard hat eine Spannweite von 72 Metern. Ich konnte eine einzelne Spante (Anm. d. Red.: Spante ist ein Element des Flugzeugskeletts) mit dem kleinen Finger hochheben.
Wo finden Teile von Piccards Flugzeug in anderen Flugzeugen eine Anwendung?
Die Energie aus den Solarzellen wird bei «Solar Impulse 2» direkt fürs Fliegen gebraucht, aber gleichzeitig werden auch die Batterien des Flugzeuges aufgeladen. Das läuft parallel und diese Novität wird sicher in anderen Flugzeugen und Fahrzeugen Anwendung finden.
Solarzellen auf Fliegern macht nicht viel Sinn. Auch kleine, leichte Flugzeuge sind zu schwer und können nicht alleine mit Energie direkt von der Sonne fliegen.
Als man die ersten Räder erfunden hat, wusste man auch nicht, dass man sich dereinst mal mit 300 Stundenkilometern fortbewegen könnte. Das gleiche trifft für dieses Solarflugzeug zu. Wir sind derzeit in einem enormen Entwicklungsschub, der künftig Flugzeuge ermöglichen wird, die wenigstens teilweise direkt von der Sonne gespeist werden. Wir werden aber immer auf Energie-Ladungen vom Boden angewiesen sein.
Mal zum Träumen: Wie sieht Ihrer Meinung nach das Flugzeug der Zukunft aus?
Auch künftige Flugzeuge werden hauptsächlich Energie am Boden tanken müssen, allerdings werden sie Wasserstoff tanken. Wasserstoff, gewonnen aus Solarenergie. Der Wasserstoff wird dann im Flug in Elektrizität umgewandelt. Mit der Technik kann ein höherer Wirkungsgrad als mit Batterien erzeugt werden. Ausserdem werden kleine Motoren die Energie-Spitzen decken. Die Solarzellen auf den Flugzeugen stellen zusätzlich Energie bereit. Sie helfen, den Flug zu verlängern.
Die Produktion von Wasserstoff braucht sehr viel Energie…
Wir werden künftig mehr Solarfarmen haben, wie etwa jene, die in Marokko im Bau ist. Diese Farmen können die Solar-Energie günstiger produzieren als bisher. Auch die Batterien zum Speichern dieser Energie müssen noch massiv besser werden.
Glauben Sie wirklich an eine solche Entwicklung?
Elektrische Flugzeuge sind die Zukunft, daran glaube ich, ja. Piccard macht mit seinem Flugzeug einen wichtigen Schritt in diese Richtung.
Das Gespräch führte Christa Gall.