Das Wichtigste in Kürze
- Das Gletschereis dürfte in den kommenden Jahren häufiger Leichen verschollener Alpinisten freigeben. Dafür sorgt die aktuelle Klimaerwärmung.
- Trotzdem wird jeder Fund besonders bleiben, denn Ort und Zeit sind nicht vorhersehbar, wie ETH-Glaziologe Matthias Huss erklärt.
- Denn entweder trägt der Eisfluss die Opfer zur Gletscherzunge oder aber Spaltenopfer bleiben in einer Felsregion hängen und tauen vor Ort wieder auf.
Der Fund zweier mumifizierter Gletscherleichen am Tsanfleuron sei auf jeden Fall ein besonderes Ereignis, sagt ETH-Glaziologe Matthias Huss gegenüber SRF News. Auch wenn die nächste Überraschung nicht vorhersehbar sei, so werde die aktuelle Klimaerwärmung doch immer häufiger zu solchen Entdeckungen führen. Die einfache Erklärung: Wenn das Eis schneller taut, kommen die Leichen rascher an die Oberfläche.
Zwei mögliche Szenarien
Wo und wann sterbliche Überreste von verschollenen Alpinisten besonders häufig auftauchen könnten, ist laut Huss schwierig eingrenzbar. Huss unterscheidet zwei Szenarien: Entweder fällt ein Bergsteiger in eine Gletscherspalte und wird mit dem Eisfluss im Laufe der Jahre von oben nach unten transportiert. Dies war beispielsweise bei den vor fünf Jahren am Aletschgletscher gefundenen Toten der Fall.
Oder aber die Opfer fallen in der Nähe eines Felssattels in eine Gletscherspalte und bleiben dann über die Zeit mehr oder weniger vor Ort, wie jetzt wahrscheinlich im Fall der Tsanfleuron-Leichen der Fall war.
Es gibt noch sehr viele verschollene Gletscherleichen.
Dass eine verschollene Person nie wieder zum Vorschein kommt, schliesst Huss praktisch aus. Allerdings könne dies Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauern. Letzteres sei dann allerdings eine sehr grosse Sensation. «Es gibt noch sehr viele verschollene Gletscherleichen», sagt der Gletscherexperte. Die nächste Überraschung sei aber örtlich wie zeitlich nicht abschätzbar.
Als regelmässiger Gletschergänger stösst Huss relativ häufig auf Gegenstände, die das Eis freigegeben hat: 50 Jahre alte Zeitungen, alte Bierflaschen und andere Utensilien, welche Alpinisten vor langer Zeit verloren haben. Auf eine Gletscherleiche ist er bisher noch nie gestossen. «Zum Glück», wie der Wissenschaftler betont.