Passen sich Maschinen uns an oder wir uns den Maschinen? Die Frage ist so alt, wie Maschinen selbst. Bei Computern musste sich lange der Mensch dem Rechner anpassen. Statt intuitiv vorzugehen, mussten man erst lernen, wo man klicken muss, damit ein Programm das Gewünschte macht.
Im Auftrag von Firmen entwerfen heute Fachleute für sogenannte User Experience deren Webseiten und Apps und sie testen Software auf Benutzerfreundlichkeit.
User Experience «Urgestein»
Die Baslerin Angie Born tut dies bereits seit den frühen 2000er-Jahren. «Wenn ich meinen Job gut gemacht habe, hat der Benutzer gar nichts bemerkt» sagt sie. Dann funktioniere eine Software, eine Website oder eine App einfach.
Der Aufwand, den sie dafür treiben muss, ist enorm. Wichtig sei, sich schon zu Beginn eines Projektes Überlegungen zur Benutzerfreundlichkeit zu machen und nicht erst, nachdem die Programmierer bereits einen grossen Teil ihrer Arbeit erledigt hätten – oder gar erst am Schluss.
Und auch wenn die Software im Bertieb ist, hört ihre Arbeit nicht auf: Weil Anbieter heute Websites und Apps ständig weiterentwickeln, müssen sie auch laufend überprüfen, welche Auswirkungen diese Änderungen für die Endbenutzer haben. Grosse Unternehmen wie etwa die SBB oder Tamedia beschäftigen dafür eigene User Experience-Teams.
Reden, beobachten, tracken
Um herauszufinden, wie sich Benutzer durch digitale Produkte bewegen, nutzen Expertinnen wie Angie Born quantitative und qualitative Methoden. Das heisst: Sie sammeln Daten und beobachten Menschen, in einem Labor mit Hilfe von Kameras etwa.
Weil sich die Internetnutzung schon seit längerem aufs Smartphone verlagert hat, begleiten Experten häufig Nutzerinnen auch unterwegs im Tram oder Bus.
Angie Born zeichnet dann jeweils mit einer kleinen Kamera auf dem Smartphone auf, wie Menschen in solchen Situtationen mit einer App oder Webseite interagieren.
Spezielle Tracker Software auf Webseiten sammelt Daten zum Nutzerverhalten. Daraus können Spezialisten schliessen, an welchen Stellen auffallend viele Benutzer eine Interaktion abbrechen. Besonders ärgerlich für den Anbieter ist dies bei Abläufen, die eigentlich zu einem Kauf führen sollten. An diesem Punkt kann das Wissen der neuen Disziplin User Experience auch dazu genutzt werden, um Menschen zu manipulieren.
Schmaler Grat zwischen «Gut» und «Böse»
Kleine psychologische Tricks sollen uns dazu verleiten, auf den «Kaufen»-Knopf zu klicken oder einen Newsletter zu abonnieren.
Ein Beispiel: Bei einem Formular sind drei Checkboxen angebracht sind, von denen wir nur bei den «AGBs» und den «Datenschutzrichtlinien» einen Haken setzen müssen. Der dritte Haken bei «Newsletter abonnieren» ist eigentlich freiwillig.
Da aber alle drei Böxchen gleich aussehen, setzen die meisten Menschen auch bei allen Boxen einen Haken – und abonnieren so den fakultativen Newsletter gleich mit. Würde man aber das fakultative Böxchen für den Newsletter so gestalten, dass es sich von den beiden Obligatorischen unterscheidet, dann würden es weniger Menschen aktivieren.
Solche Tricks sind vergleichbar mit den Regalen vor den Supermarktkassen, die uns beim Warten noch zum Kauf eines Kaugummis verleiten. So gesehen ist User Experience und deren Nutzung zur Umsatzsteigerung nichts neues, sondern bloss ein Fachgebiet, das nun auch in der digitalen Welt angekommen ist.
Sendebezug: SRF 4 News, 21.08.2019, 06:18 Uhr